Ihr denkt jetzt wahrscheinlich, ich wäre etwas außer Atem, weil ich mit hängender Zunge den großen Event „Viele Tage, viele Bücher“ knapp verpasst habe. Das stimmt aber nicht. Wenn man Software entwickelt, dann eignet man sich ganz nebenbei ein eher unverkrampftes Verhältnis zu Deadlines und Abgabeterminen an. Und außerdem: Ich hätte gar nicht teilnehmen können, weil ich nicht glaube, dass es so etwas wie ein „Genussbuch“ überhaupt gibt.
Fangen wir mit den Kochbüchern an, die ja die Mehrzahl ausmachen. Die haben in meiner Erinnerung ziemlich wenig mit Genuss zu tun. Da sind zunächst mal die Food-Pornographen mit den schönen Bildern (alle getürkt und besprüht und aus Plastik). Mit zunehmendem Alter macht Pornographie ja traurig. Weil man weiß, dass da mal was war und dass es wahrscheinlich anders war, als das was man gerade sieht, aber – in der Erinnerung – ähnlich toll. Und zur Traurigkeit gesellt sich dann noch der Brechreiz, wenn es irgendwie in Richtung „Landküche“ geht und in warmen braunen Farben gehalten ist. Kein Genuss!
In der anderen Ecke des Regals stehen die Heimwerkerbücher mit der ultimativen Aufforderung: Do it yourself. Frühstück für Anfanger, Pasta for idiots, How to cook in 10 easy lessons. Das ist alles lehrreich und nützlich. Aber Genuss? Shrimps entdarmen, Kalbsbries häuten, Wild aus dem Mantel schlagen, Kutteln wässern. Genuss? Ich weiß nicht.
Mit meinem Kochregal hätte ich also nicht teilnehmen können. Das hätte den Rahmen gesprengt. Also ein Blick in die Abteilung Belletristik. Da gibt es doch auch schöne Bücher. Da, zum Beispiel, Tanja Blixen: Babettes Fest. Herrlich. Aber auch das macht mich traurig, weil es so viel mit unserer aktuellen Situation zu tun. Diese Ängstlichkeit gegen Normen zu verstoßen, diese dickköpfige Ich weiß-es-besser-Sturheit. Dass im nächsten Leben alles besser wird, wenn man sich nur genug kasteit, dass Kaffee tötet und alles was schmeckt entweder Tiere umbringt oder Menschen vergiftet oder – noch schlimmer – zufrieden lächelnd im Sessel zurücksinken lässt. Womöglich noch mit einem Gläschen Cognac in der Hand. Das wär dann kein Post geworden, sondern eine Abhandlung.
Oder Martin Suter „Der Koch“; noch ein Autor, dem zu diesem Thema nichts einfällt als ein geheimes Aphrodisiakum der indischen Großmutter. Schade. Am ehesten noch Andrea Camilleri – wenn man der sizialianischen Küche was abgewinnen kann. Doch das macht schon Spass. Aber Genuss?
Vielleicht was aktuelles? Man muss ja nicht immer gleich zu erkennen geben, dass man ein paar Jahrzehnte zurück ist. Vielleicht „Ich koch dich tot“ von Ellen Berg. Das müsste ich aber zuvor noch lesen. In der Produktbeschreibung: Eine nette Frau würzt aus Versehen mit Rattengift statt mit Pfeffer. Und dann – Zitat – „Fortan räumt Vivi all jene Fieslinge, die es nicht besser verdient haben, mit den Waffen einer Frau aus dem Weg – ihren Kochkünsten.“ Tut mir leid, ich kann das nicht lesen. Wirklich nicht.
Das mit dem Genussbuch und mir, das wird nichts mehr. Aber den Buchgenuss, den kenne ich natürlich schon. Im Moment mein absoluter Lieblings-Ober-Lese-Genuss: Sybille Lewitscharoff’s „Apostoloff“. Die bulgarische Küche allerdings kommt kaum vor und nicht gut weg. Wie ganz Bulgarien, im Übrigen. Da befürchte ich dann eher einen Shitstorm. Ich glaube, ich lass das lieber. Und bis zur Runde 2 hab ich ja noch Zeit …