Selten wird die Überlebensfähigkeit eines Menschen mehr gefordert als wenn er – mental nur unzureichend vorbereitet – von der bayerischen Landeshauptstadt in die niedersächsische Provinz zieht. Kulinarisch, hauptsächlich.
An unserem ersten Wochenende sind wir in die Nachbarstadt zum Wochenmarkt gefahren. Ich war vom Angebot angenehm überrascht und habe auch sofort ein schönes Salbei-Pflänzchen gekauft, als Starter für Küche und Garten. Und weil sich die Küche noch in einem teilfunktionalen Zustand befand, war auch gleich die Idee geboren, abends ein Saltimbocca zu machen, der Grundstein war ja gelegt. Nach dem dritten Metzgerstand, bei dem wir auf die Frage nach Kalbschnitzeln nur – teilweise verwundertes – Kopfschütteln geerntet haben, zeigten sich – zumindest bei mir – erste Anzeichen von Panik. Eine naheliegende Metzgerei brachte auch keinen Erfolg, aber na ja, die schien offensichtlich den Hauptumsatz mit ihrer Imbissabteilung zu machen, was mich zu dem Vorschlag veranlasste: „Lass uns nach Hause fahren, da hab ich einen richtigen Metzger gesehen, der müsste noch offen haben.“ Offen schon, aber kein Kalb. Ganz selten. Oder auf Vorbestellung. Ein Blick über das Angebot, und: nein, ein Saltimbocca aus Kassler hatte ich noch nie gemacht und konnte ich mir auch nicht richtig vorstellen. Wir haben uns dann ein Restaurant gesucht, was allerdings – nebenbei bemerkt -der kulinarischen Vorfreude auch nicht zuträglich war.
Nachzutragen bliebe noch, dass ein Besuch beim zukünftigen Supermarkt unseres Vertrauens ergab, dass wir auch keinen Marsala hätten kaufen können und dass der Parmaschinken „diese Woche“ nicht erhältich war, aber der abgepackte Serrano sehr zu empfehlen sei.
Nun ja, ich lebe noch. Das beweist, dass man lernt, sich zu arrangieren und wenn man „was besonderes“ will (was bis vor kurzem gar nicht so besonders war), dann fährt man halt man eben 40 oder 50 Kilometer – ohne öffentliche Verkehrsmittel, versteht sich. Da gewöhnt man sich dran, aber ich werde doch den Verdacht nicht los, dass die lange protestantische Tradition in dieser Gegend das Streben nach leiblichen Genüssen nicht sehr gefördert hat
Umso mehr freut sich man sich dann aber, wenn man ab und zu einen Fund macht – nein, keinen Kaviar, keinen Hummer, keine Trüffel, nur Linsen, aber die richtigen:
Die braucht man nämlich für mein Linsengericht, äh mein Leibgericht aus dem Essen&Trinken 2/2002, für das es sogar einen Link gibt, aber ohne Bild, obwohl die Abbildung in der Zeitschrift damals sehr „mouthwatering“ war. Egal, so sieht’s aus oder doch so ähnlich:
Und im Küchentagebuch steht deshalb
- Rahmlinsen mit Orangen und gebratenem Wels
- Mascarpone-Joghurt-Quark mit Erd- und Brombeeren aus dem Garten
Und warum?
- Der Linsenfund musste gefeiert werden. Fast im Original.
- Alleine hätte die Erdbeer- und Brombeer-Ernte nicht gereicht
Fazit
- Orangen, Möhren und Linsen kombiniert mit der Balsamico-Reduktion: Das hätte man auch ohne Fisch essen können. Nichts gegen den Wels, er ist wirklich grätenfrei, aber der Hinweis der Fischfrau, kräftig zu würzen, macht im Nachhinein Sinn. Der Wels stammte aus einer niederländischen Aquakultur, die schaffen es offensichtlich nicht nur den Tomaten den Geschmack zu nehmen.
- 250 g Mascarpone, 150 g Naturjoghurt, 250 g Quark und 100 g Zucker gut verrühren und 100 g geschlagene Sahne untermischen. Erstaunlich schnell, erstaunlich gut – vielleicht aber nur wegen der Beeren.
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