Glutamat

Heute will ich mal mit einer kleinen Übung anfangen. Ich sage „Glutamat!“ und alle: Schüttel! Und nochmal: „Glutamat!“ – SchüttelSchüttel! Uuund aller guten Dinge sind drei: „Glutamat!“ – SchüttelSchüttelSchüttel!

So, damit sind wir jetzt alle etwas lockerer und können uns unverkrampft der Frage widmen: Was in drei Teufels Namen ist so schlimm an Glutamat?

Auf dem Herbstmarkt in Soltau war ein Gewürztandler. Und dort habe ich es zum ersten Mal in meinem Leben gesehen: Eine Familien-Packung Glutamat, beschriftet mit „Fleischweichmacher“. Frau T. hat mich dann mit roher Gewalt weiter gezerrt und gemeint, das sei kindisch und wir bräuchten das nicht. Aber hallo! Sind wir nicht Kollegen? Bin ich nicht auch in gewisser Weise ein Geschmacksverstärker oder bemühe mich doch nach Kräften darum? Und müssen Kollegen nicht zusammenhalten, wo sonst schon alles den Bach runter geht? Aber da waren wir schon längst am Matjes-Stand.

Zuhause dann – ein Matjes-Brötchen mümmelnd – Wikipedia:  „Mononatriumglutamat (E 621) … geruch- und farblose Kristalle … fleischig-deftigen Geschmack …“ Schon mal nicht schlecht. Auch dass bei Zugabe von E 621 weniger Speisesalz zugesetzt werden muss, könnte einige Menschen freuen.  Und dass E 621 zum Beispiel in der Schweinemast als Appetit-Anreger verwendet wird, leuchtet mir sofort ein. Auch an mir habe ich festgestellt, dass ich mehr esse, wenn es mir schmeckt. Und – der Übergang mag jetzt vielleicht ein wenig hart anmuten – das hat auch Vorteile bei älteren Menschen in Pflegeeinrichtungen, wenn das Geschmacksempfinden im Laufe der Zeit nachgelassen hat.

Okay, eine Familienpackung wär vielleicht übertrieben, da muss ich Frau T. nachträglich schon recht geben.  Aber hie und da eine Prise „umami“, wenn der Einkauf mal wieder aus Zeitgründen im Supermarkt stattgefunden hat? Früher hat man den Aas-Geschmack mit Pfeffer übertüncht – das ging doch auch.

Jetzt habe ich aber in den letzten Jahren gelernt, dass in allen E-Nummern der Tod lauert, und deshalb vorsichtig weiter-gegoogelt. Und ohne mich als Experte aufspielen zu wollen: Ich glaube, ich kann Entwarnung geben.

Die LD50, also die Dosis, bei der 50% der Versuchstiere sterben, liegt für Ratten bei oraler Einnahme laut Wikipedia um die 19900 mg·kg-1, Ich finde, es wär relativ unvernünftig von einer Ratte, so große Mengen zu verdrücken, aber vielleicht hab ich das auch alles falsch verstanden. Anfang der 40iger Jahre war man noch mutiger und hat Hunderten von Kindern über Monate hinweg täglich bis zu 40 mg Glutamat verabreicht – in der Hoffnung auf eine Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit. Leider war – trotz der hohen Dosis – ein leistungssteigernder Effekt nicht nachweisbar, allerdings sind auch keine toxischen Wirkungen beobachtet worden.

Und da ist dann ja noch das berüchtigte China-Restaurant-Syndrom. Es ist ja schon so, dass die Glutamine im Gehirn zwar ohnehin rumschwirren, aber ein Überangebot beträchtlichen Schaden anrichten kann. Wenn allerdings Doppelblindstudien keine Schädlichkeit feststellen, neige ich dazu, zu glauben, dass es auch keinen Zusammenhang gibt. Ich vertraue da vollständig auf die Blut-Hirn-Schranke, die verhindert (verhindern soll), dass mit der Nahrung aufgenommene Substanzen in den Gehirnzellen landen. Allein  wenn man bedenkt, wie gut bei den meisten Menschen die Mund-Gehirn-Schranke funktioniert, bin ich da recht zuversichtlich.

Aber zurück zum Herd. Kann man Glutamat einsetzen? Muss man es vielleicht sogar? Wenn ein Koch heute ohne Salz kochen würde, hätte er nicht viele Freunde unter seinen Gästen. Ist das bei Glutamat ähnlich? Ist es das, was der Name andeutet? Einfach ein Gewürz, das den Geschmack verstärkt?

Nachdenklich stimmt in diesem Zusammenhang das Ergebnis der Weißwurst-Verkostungen  von padrone, einem Mann, der sicher nicht im Verdacht steht, einen von Fastfood und Fertigprodukten versauten Gaumen zu haben. Ich hatte den Eindruck, er weiß auch nicht recht, wie er mit seinem Befund umgehen soll. Aber unter allen seinen Proben war bislang nur eine, die ohne Geschmacksverstärker in der Rezeptur auskommt. Und ausgerechnet die hat er im Geschmack als „neutral bis schal“ bewertet.

Neben vielen „Erkenntnissen“ über Glutamat (G. macht dick – G. macht dumm – G. löst Migräne aus – G. löst Demenz aus – bitte selber weitergoogeln), von denen die meisten sich in wissenschaftlichen Studien schlicht nicht bestätigen lassen, bleibt aber der Eindruck des Überangebots. Und natürlich wird Glutamat meist nicht eingesetzt, um den Geschmack zu verstärken, sondern möglichst zu ersetzen, weil es allemal billiger ist als ordentliche Produkte zu verwenden. Und wenn dann irgendwann alles gleich schmeckt, dann gibt es gar nichts mehr zu verstärken.

Deshalb würde ich dann doch dafür plädieren, sich auf die natürlichen Glutamine zu beschränken. Vorne mit dabei:

Parmesankäse 1200 mg/100 g
Tomaten 140 mg/100 g

So, und weil dieser Post so launig begonnen hat, gibt es zum Schluss noch ein Gewinnspiel: Jedem, dem zu diesen Zutaten nichts einfällt, schicke ich kostenlos und unverbindlich  ein Rezept für „Spaghetti mit Tomatensauce“.

P.S.: Möhren und Rindfleisch sind auch nicht ohne (beide 35 mg/100 g). Wem auch dazu nichts einfällt, spendiere ich kostenlos den Link auf AT’s Salanje.

12 Gedanken zu „Glutamat“

  1. Launischer Kerl du, hast ja schon alles gesagt.
    Nja, über die Herstellung könntest du bitte noch ein Wort verlieren.
    Ausserdem muss ich von dem Zeug niesen.
    Krieg ich das Rezept trotzdem?

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  2. Das Zeug macht mir keine Angst. Ich esse einfach, was mir schmeckt. Und wenn da ab und zu mal ’ne Spur Glutamat drin ist, dann macht das auch nichts. So oft kommt das ja nicht vor.

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  3. 1. Wir Bäcker verwenden für unsere Semmeln und Brote kein Glutamat, vielleicht ein wenig Gluten kommt immer rein na ja eher ziemlich viel Gluten.
    2. Mein Nachbar ist Metzger und hat gleich Glutamat und Gluten aus seiner Wurst verbannt.
    3. War und ist nicht so einfach für meinen Nachbarn so trotzdem geschmackvolle Wurst zu machen.
    4. Entfällt wegen Bodennebel.
    5. Wenn ich Speisen mit Glutamat esse, finde ich sie im ersten Moment meistens durchaus schmackhaft. Allerdings kommt mit der Zeit und je größer die Menge des Gegessenen wird, ein komischer Nachgeschmack auf meinem Gaumen. Ich kann das leider nicht so genau beschreiben. Ich weiß nur, das mir das Essen dann langsam immer ungenießbarer vorkommt.
    6. Bei natürlich in Lebensmitteln vorkommendem Glutamat ist das seltsamerweise nicht so z. B. Parmesan.
    7. Mit glutenvollen Grüßen

    Martin der Glutenverächter

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  4. „Und natürlich wird Glutamat meist nicht eingesetzt, um den Geschmack zu verstärken, sondern möglichst zu ersetzen, weil es allemal billiger ist als ordentliche Produkte zu verwenden.“ – gefällt mir!
    Die Verfolgung meines Weißwursttests auch. Der „Befund“ liegt nach wie vor unsortiert herum… Habe aber aktuell (noch nicht publiziert) in München eine geschmacklich hervorragende Weißwurst ohne Glutamat gegessen… Und der „spannende Kandidat“ steht auch noch aus… Ich bleibe dran.

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