Spinat

Spinat hat mein Leben verändert und entscheidend beeinflusst. Das ist jetzt keine billige Platitüde, das ist Fakt, knallharte Realität.

Als ich aufgewachsen wurde (auf dem Dorf wächst man nicht einfach auf wie man will), da hat man den Müttern, also auch meiner, die Geschichte vom Eisengehalt im Spinat aufgetischt. Und sie hat mir dann grüne Pampe aufgetischt. Und – noch wichtiger – sie hatte dabei ein gutes Gewissen. Und Spinat war billig, weil er im Garten wuchs. Und diese Kombination aus billig, gutes Gewissen und Eisengehalt (schließlich war die Hart-wie-Kruppstahl-Zeit noch nicht lange her), diese tödliche Kombination führte dann halt zu: Spinat, viel Spinat, wöchentlich Spinat, gefühlt auch schon mal täglich. Und immer als grüne Pampe – ich hab’s nie gern gegessen, aber oft. Dabei hätte sie nur mal googeln müssen, um Alternativen zu finden, die auch Eisen enthalten: Spinat enthält 2,6 Milligramm Eisen auf 100 Gramm, aber Leberwurst (5,9 mg), Schokolade (6,7 mg) und Pistazien (7,3 mg)! Leberwurst, Schokolade und Pistazien gab’s aber nie.

Gut, damals gab es noch diesen Rechenfehler. Man ist halt um eine Kommastelle verrutscht und hat gedacht, es seien 26 Gramm. Heute denke ich, das kann mal passieren; es gibt ja auch plausible Erklärungen. Aber damals war die Kunde von diesem Irrtum, die dann nach und nach auch in das kleine Schwarzwalddorf fand, eine noch einschneidendere Erfahrung in meinem jungen Leben. Wie bitte, so habe ich mich damals gefragt, wie soll ich einen Karriere-Weg in einer Wissenschaft einschlagen, die unschuldige Kinder generationenlang bis zum Erbrechen quält? Und so leuchtete immer, wenn ich das Wort „Naturwissenschaft“ hörte, ein warnendes Stoppschild vor meinen Augen auf. Das lag nicht etwa an den Zeugnis-Noten, ach Quatsch, das war eine Spinat-induzierte Phobie allererste Güte. Und was hätte alles aus mir werden können! Nobelpreis-Träger, Astronaut oder Lebensmittelchemiker! Und was hätte ich alles für die Menschheit tun können! Den Krebs besiegen, Mondstaub sammeln, feine Aromen mischen! Aber so: lustlos durchs Abitur gequält, Sozialwissenschaften studiert und Spinat-Vermeidungsstrategien trainiert. Es ist ein Jammer.

Es gibt allerdings ein Happy-End. Im hohen Alter habe ich gelernt, nicht nachtragend zu sein – man nennt das Altersmilde. Und dass es nichts schadet, auch jungem Gemüse hin und wieder eine Chance zu geben – man nennt das „die Verantwortung auf die nächste Generation übertragen“. Und so kommt es, dass ich heute ein Spinat-Rezept poste und freimütig gestehe, dass ich das sehr gerne esse:

Wurzelspinat mit Chili und Walnüssen

Etwa 1kg groben, dunklen Blattspinat putzen, in kaltem Wasser gründlich waschen und in einem Sieb abtropfen lassen. Einen breiten Topf bei mittlerer Hitze heiß werden lassen, den Spinat tropfnass hineingeben, mit einem Deckel verschließen und den Spinat so 3-4 Minuten dünsten. Den zusammengefallenen Spinat portionsweise in einem Spitzsieb mit einer Schaumkelle gut ausdrücken.

In einer Pfanne 3 EL Olivenöl erhitzen, 60g Walnusskerne (geviertelt) darin goldbraun rösten. 1 rote Chilischote (entkernt und klein gewürfelt), 120 g Zwiebeln (gewürfelt) und 1 Knoblauchzehe (gewürfelt) darunter mischen und 2 Minuten mitdünsten.

Den ausgedrückten Spinat mit einer Fleischgabel untermischen, erhitzen und salzen.

 

8 Gedanken zu „Spinat“

  1. *Altersmilde* 🙂 Na, dann bin ich mir nicht sicher, ob das nicht übertrieben ist , so von den bereits gelebten Jahren..

    Ich stelle die Ausnahme dar: schon als Kind war ich ganz Popeyes Tochter!

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    • Manche Jahr zählen doppelt oder dreifach – je nach Spinaternte.

      Ein Wissenschaftler hat es mal so ausgedrückt: Wenn es Popeye um den Eisengehalt gegangen wäre, hätte er besser die Dose aufgegessen.

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