Müll

Erstens: Gelber Müll

Wenn ein gelber Sack platzt und ein norddeutscher Wind die Plastikreste der vergangenen Mahlzeiten dekorativ und großflächig auf einer Wiese verteilt, dann hat der müßige Spaziergänger auf dem Weg zum Bäcker Gelegenheit, eine Zeitlang andächtig still zu stehen und sich in Kontemplation zu vertiefen: Das ganze Elend der deutschen Esskultur ausgebreitet als Gott sei Dank vergängliches Mahnmal. Beim Aufbruch bleibt außer einem tiefen Seufzer nur der Trost, dass es noch einen Bäcker gibt, auch wenn nicht alle seine Produkte den hohen Qualitätsanspruch erfüllen, den man gerne für sich erheben würde.

Ich plädiere dafür, dass aus den Gewinnen der Mülltrennung eine Stiftung eingerichtet wird, aus deren Erlös sich der Bürger kostenlos mit Stimmungsaufhellern versorgen kann.

Zweitens: Gedächtnismüll

Me pidet, pudet, paenitet,
me taedet atque miseret.

Das ist ein Merkvers, mit dessen Hilfe sich der Schüler die unpersönlichen lateinischen Verben einprägen soll. Es ist mir ein Rätsel, wie jemand auf den Gedanken kommen kann, dass man sich das merken kann. Allerdings scheint es mir doch gelungen zu sein, denn nach Jahrzehnten, in denen ich lateinische Verben, und schon gar die unpersönlichen, in keinster Weise vermisst habe, tauchte der Spruch plötzlich aus den Tiefen der verschütteten humanistischen Bildung wieder auf. Übersetzt heißt er etwa:

es verdrießt mich, ich schäme mich, es reut mich,
es ekelt mich, es jammert mich an.

In meinem Gehirn plötzlich wieder aufgetaucht ist der Merkvers bei der Lektüre der Süddeutschen: „Schlecht beraten“ im Wirtschaftsteil vom Freitag, den 25.Mai. Es ist mir nicht gelungen, den Artikel online zu finden, aber egal: Es gibt da ein Schaubild, das 10 Experten und führende Mitarbeiter des BfR (Bundesinstitut für Risikoforschung) zeigt. Diese Institut berät die Bundesregierung in Sachen Gentechnik.

Schön dass unsere Bundesregierung gentechnisch veränderte Kartoffeln zuerst mal diesen Experten zeigt, bevor sie auf unserem Teller landen. Ich hab ja nichts gegen Gentechnik, aber: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Unschön aber, dass 7 dieser abgebildeten Experten zusammen mit Monsanto, Pioneer, Syngenta, Bayer oder BASF an Gentechnik-Patenten beteiligt sind. Ich wiederhole: an Patenten beteiligt! Dass die restlichen 3 wenigstens (indirekt) von diesen Firmen bezahlt werden, fällt da kaum noch ins Gewicht. Zuständig für diesen kleinen Thinktank ist übrigens meine Lieblings-Politikerin: Frau Ilse Aigner.

Ich plädiere dafür, dass aus den Gewinnen dieser Firmen eine Stiftung eingerichtet wird, …

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„Unpersönlich“ an diesen Verben ist übrigens, dass es sie nur in dritten Person Singular gibt und dass sie zu allem Elend auch noch mit dem Genetiv benutzt werden. Also nicht: Ich schäme mich, sondern es schämt mich: Es schämt mich der Experten, es jammert mich der Frau Aigner – mein Lateinlehrer wär stolz auf mich!

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