Wohl dem, der in der Stadt wohnt, und mit prall gefüllter Börse auf dem Markt Heidelbeeren kaufen kann.
Hier in der Lüneburger Heide, manche mögen das vielleicht nicht wissen, ist Deutschlands größtes Anbaugebiet für Heidelbeeren. Marktabdeckung etwa 75%.
Deshalb gibt es hier in der Lüneburger Heide keine Heidelbeeren.
Wenn das jetzt verwirrend klingt, dann liegt das nicht an mir.
Wenn ich von Heidelbeeren rede, dann meine ich Heidelbeeren. Wenn Marketingexperten, Obstbauern und Marktstandbetreiber von Heidelbeeren reden, dann meinen sie Kulturheidelbeeren. Dass das eine mit dem anderen – auch botanisch – wenig bis nichts zu tun hat, macht die Sache nicht einfacher.
Also noch mal von vorne:
Die Heidel-, Blau- oder Waldheidelbeere (Vaccinium myrtillus) ist eine Art aus der Gattung der Heidelbeeren (Vaccinium) in der Familie der Heidekrautgewächse (Ericaceae). Regional nennt man sie auch Blaubeere, Schwarzbeere, Mollbeere, Wildbeere, Waldbeere, Bickbeere, Zeckbeere, Moosbeere oder Heubeere. Die Anthocyane, die Mund und Zähne tiefblau färben, sitzen in der Schale und im Fruchtfleisch.
Die Kulturheidelbeere ist eine Weiterzüchtung der Amerikanischen Heidelbeere (Vaccinium corymbosum). Deren Fruchtfleisch ist hell, weil die Farbstoffe nur in der Schale sitzen. Die Beeren sind doppelt bis mehrfach so groß wie die echte Heidelbeere, ein Aroma ist kaum feststellbar. Vor ihrem Anbau als Obstlieferant war die Kulturheidelbeere aufgrund ihrer dekorativen Herbstfärbung im europäischen Garten- und Landschaftsbau als Zierpflanze beliebt. Man hätte es dabei belassen sollen. Obwohl: in Blueberry-Muffins schaden sie zumindest nicht.
Natürlich gibt es auch in der Heide Wälder. Natürlich wachsen da auch Heidelbeeren. Aber niemand sammelt sie, um sie auf dem Markt in diesen kleinen Schälchen mit den großen Preisschildern anzubieten. Also musste ich, ich ganz persönlich; die Zivilisation abstreifen und tief in den dunklen Wald eindringen …
Aber ach! So kleine Beerchen und ein so großer, tiefer Korb! Wohl dem, der in der Stadt wohnt ….
Viele Stunden später, mit blauen Zähnen und roten Händen und zerkratzten Armen und jeder Menge Fuchsbandwurm im Magen.
„Mama, hallo. Du, wie geht denn Schwarzerlapp?“
„Pass auf, für mein großes Blech“ – ich habe keine Ahnung, wie groß das große Blech meiner Mutter ist, erinnere mich aber an eine Springform mit einem Durchmesser von, ich schätze mal 28 cm. „Also für mein großes Blech mache ich einen guten Mürbteig. Brauchst du ein Rezept für guten Mürbteig? Nein? Also die Kuchenform mit dem Mürbteig auslegen, mehrmals mit einer Gabel einstechen und die Matschedutsche darauf verteilen, mit ein wenig Zucker und Zimt bestreuen und ein paar Butterflöckchen darauf verteilen. Bei 200° etwa eine Stunde backen.“
„Mama, die Matschedutsche?“
„Ach so, ja. Warte, ich hol das Rezept.“
…
„1 kg Heidelbeeren waschen, trocknen und mit 100 g Zucker mischen. 2 Eigelb mit 100 g Zucker schaumig rühren. 2 Eiweiß steif schlagen. Alles mit 50 g gemahlenen Haselnüssen und etwas Zimt mischen. Die gezuckerten Heidelbeeren unterrühren. So, das war die Matschedutsche. Weißt du noch, wenn wir Heidelbeeren geholt haben …“ [größere Textmenge redaktionell entfernt]
Oh My God! Ein Kilogramm Heidelbeeren! Das sind etwa 4 Trilliarden kleine Beerchen, also meine gesamte Ernte, oder – für Städter – 8 von den großen Schalen a 125 g! Oh My God! Ich glaub, ich nehm mein kleines Blech.