Der Winter und ich kennen uns jetzt schon mehrere Jahre, ja wenn man es genau nimmt wahrscheinlich mehrere Jahrzehnte. Und sind doch nie richtige Freunde geworden.
Selbst das Laissez-faire klappt nicht immer richtig. Im Moment zum Beispiel kümmert er sich nach meinem Geschmack viel zu wenig um meine Bedürfnisse. Im Gegenteil. Und nur wenn wir Rücksicht aufeinander nähmen, könnte das Zusammenleben auch bei unterschiedlichen Interessen funktionieren. Ich weiß das, aber sagen Sie das mal dem Winter!
So ein Marktspaziergang im Winter zum Beispiel.
Erstens klaffen da Lücken in den Marktreihen wie in den Häuserfluchten deutscher Nachkriegsstädte.
Zweitens kann man mit dicken Wollhandschuhen nur sehr schwer Kleingeld sortieren. Weshalb man immer versucht ist, ein Sträußchen Petersilie mit einem Schein zu bezahlen und „Stimmt schon“ zu murmeln.
Drittens ist der Anblick von Steckrüben und Steckrüben auf die Dauer sehr ermüdend.
Aber dem Winter scheint’s zu gefallen. Schau nur, wie er vergnügt mit dem eisigen Wind spielt! Wie er verwegen Schneeflocken einsammelt, um sie dann mit Getöse und Gekicher unschuldigen Passanten ins Gesicht zu pusten! Ein wenig infantil, finde ich. Und rücksichtslos. Aber meine Bedürfnisse, wie gesagt …
Doch zurück zu unserer Freundschaft. Es gibt zwei Theorien, wie es zu dieser unbefriedigenden Beziehung hat kommen können, und warum wir – hehe Scherzeken! – nicht miteinander „warm“ werden konnten:
Die erste geht von einem unzuverlässigen Exemplar der Gattung Storch aus, das eigentlich den Auftrag hatte, einen in Windel gewickelten süditalienischen Prinzen vom Nordpol – wo alle Prinzen herkommen – in freundlichere südliche Gefilde zu verfrachten, über dem nördlichen Schwarzwald aber urplötzlich von einer Flug-Unlust befallen wurde und das arme Bündel einfach in die verschneiten Tannen fallen ließ. Leider hieß die DHL damals noch Deutsche Bundespost, und das heißt, dass das, was man heute Logistik nennt, noch recht unterentwickelt war. Und deshalb war eine Zustellung eine Zustellung und von einem Weitertransport fortan keine Rede mehr.
Die zweite berichtet von einem in Windeln gewickelten Nordschwarzwälder Prinzen, der seine gesamte Energie darauf verwendete, Laufen zu lernen (entweder, da unterscheiden sich die Meinungen, um von da abzuhauen, oder um so schnell wie möglich den Rekord von Armin Harry zu brechen). Dank seiner unbändigen Energie gelang ihm das auch so zeitig, dass seine ersten wackligen Schritte im tiefen Schnee stattfanden. Natürlich plumpste er bald mit dem Gesicht voran in eine Schneewehe – und hatte von Anfang an die Nase voll.
Wie dem auch sei, es ist nicht meine Art, mit dem Schicksal zu hadern. Und die Foodblogger-Szene tut ihr Bestes, mich mit Vorschlägen für einen abwechslungsreichen Speisezettel auch in tiefer Trostlosigkeit zu versorgen. Eine tragende Rolle spielt dabei mein einziger Winterfreund, der Lauch:
Das kleine grüne Männchen frittiert ihn, damit ihm schön warm wird – danke.
Bei Robert spielt er die Hauptrolle bei einer Berner Platte und bei der Lauchwähe mit Swiss Award, wo er von weitem aussieht wie Rhabarber. Das macht Hoffnung.
(Nur die Küchenschabe mag keinen Lauch – oder ihre Suchfunktion ist überfordert)
Und ich mag ihn am liebsten ganz einfach mit Pfannkuchen (und richtig glücklich werde ich, wenn sich der Bratensaft eines zufällig anwesenden Schnitzels mit dem Sahne-Lauch mischt).
So, und dieser ganze lange Post war jetzt nichts anderes als die Vorrede zu einer Überraschung des Tages: In meiner Sehnsucht nach jungen Möhren und frischen Erbsen und Erdbeeren mit Schlagsahne und irgendwas mit Früchteteller und jungem Kohlrabi und Zucchiniblüten habe ich ein Rezept von Tim Mälzer ausgesucht:
Orangen-Wirsing
Für 2 Personen: 400 g Wirsing in Stücke schneiden, Schale von 1 Bio-Orange dünn abreiben, Saft auspressen. 1 weitere Orange dick abschälen und die Orangenfilets herauslösen. 2 EL Butter in einer beschichteten Pfanne erhitzen. Wirsing darin rundherum anbraten, mit Salz, Pfeffer und ½ TL Orangenschale würzen. Orangensaft dazugeben und 8-10 Minuten schmoren. 3 EL Crème fraîche verrühren und mit den Orangenfilets zum Wirsing geben. Kurz erhitzen, nicht mehr kochen.
Ich hätte auf das Rezept keinen Pfifferling gegeben, aber mitten in der Trostlosigkeit der vereisten, verschneiten norddeutschen Tiefebene war es ein Lichtblick.
Da muss sie vehement widersprechen, die Schabe! Wie du weißt, bin ich Östereicherin. Und wir hier haben für viele Lebensmittel andere, drollige Bezeichnungen als ihr, denk nur an Palatschinken, Schlagobers, Marillen und Topfen. Der Lauch heißt bei uns Porree. Hier ein Rezept aus dem Schaben-Archiv für Porree (http://diekuechenschabe.blogspot.co.at/2012/06/ungewohnliche-gemuse-begeisterung.html), den ich wirklich sehr gerne mag!
Zum Winter hab ich ein ähnliches Verhältnis wie du, das nicht besser dadurch wird, dass derzeit ziemlich oft Schneeschaufeln um sechs Uhr morgens angesagt ist, um überhaupt mit dem Auto aus der Garage zu kommen …
Dass ich das übersehen konnte … Aber ich habs notiert (unter: Lauch!)
Das kleine grüne Männchen hat jetzt endlich alle Spuren der Lauchfrittierkatastrophe in der Küche beseitigt und wird das sicher nicht noch einmal machen.
Schön, dass du wieder da bist. Deine Postings haben mir gefehlt!
Toll, ich mag Sauerei in der Küche, weil Frau T. aufräumt …
„Wieder da“ ist vielleicht übertrieben. Ich habe einfach die Vorstellung von einer frustrierten Schabe in der Österreichischen Provinz nicht ertragen. Das ist doch wahrscheinlich schon ohne Frust ziemlich schlimm.
… wahrscheinlich auch nicht schlimmer als die norddeutsche Tiefebene …
Touchez