Schwarzwald, Kirsche

Ich bin ja ein Schwarzwaldbub. Ursprünglich. Rank und schlank wie eine Tanne, nicht knorrig wie die nordische Eiche. Daran kann man das heute noch sehen. Oder konnte man bis vor kurzem noch sehen. Oder erahnen.

limonadez

Gut, ich bin früh geflohen. Aber nicht früh genug, dass nicht rund um mich rum das Schwarzwaldlied geträllert wurde:

O Schwarzwald, o Heimat, wie bist du so schön!
Wie locken das Herz deine schwarzdunklen Höhn
Zum fröhlichen Wandern in Hochsommerzeit,
Zum Rasten in heimlicher Einsamkeit,
Im traulichen Mühlgrund, bei Quellengetön:
O Schwarzwald, o Heimat, wie bist du so schön!

Schon beim Aufschreiben kriecht eine Gänsehaut über die Unterarme. Ich bin mir nicht ganz sicher, was das zu bedeuten hat. Aber egal. Der Schwarzwald, also Baden-Württemberg, wird ja seit einiger Zeit grün-rot regiert. Und ich dachte immer: Das passt. Da gibt es außer Natur recht wenig, und auf Natur verstehen sich die Grünen ja. Allerdings: weit gefehlt.

Wie nicht anders zu erwarten haben die Grünen ein Lieblingsprojekt: endlich einen Nationalpark im Ländle. Also ein Gebiet, in dem die Natur machen darf, was sie will. Und weil man aus Stuttgart 21 ja gelernt hat, gab es Informationsveranstaltungen und eine Bürgerbefragung und aktive Teilnahme und alles, was das Herz begehrt. Leider ist das Ergebnis der Bürgerbefragung dann für manche ernüchternd ausgefallen: 70 bis 80% der Bürger wollen einfach keinen Nationalpark. Dass der jetzt zwar kleiner, aber trotzdem kommt, liegt daran, dass die Befragung „unverbindlich“ war. Das nennt sich, glaube ich, gelenkte Demokratie.

Was da an Argumenten und wohl auch Emotionen hochkocht rund um Baiersbronn, und warum die sich nicht einfach in einem der vielen Sternelokalen bei einem Glas Wein und einem Snack zusammensetzen, kann ich nicht beurteilen. Aber neben den Bedenken der Holzindustrie und der sprichwörtlichen Sparsamkeit („Da liegt dann totes Holz rum, das man auch gut verheizen könnte“), hat mich ein Argumentationsstrang besonders beeindruckt: einige Hotelbesitzer befürchten wohl, dass die Natur so ganz ohne menschlichen Eingriff, nun ja, sagen wir mal den ästhetischen Ansprüchen des Touristen nicht gerecht wird. „Aber das ist doch schön“, sagt einer der Befürworter, „die Natur ist eben ein steter Wandel zwischen Werden und Verderben.“

„Schon recht“, kommt darauf als Antwort, „aber: zwischen Verderben und Werden vergeht halt immer eine so lange Zeit.“

Und dem kann ich nur beipflichten. Wir haben nämlich einen Kirschbaum im Garten, der schon etwas älter ist und nicht mehr so viel tragen mag. Dafür hat er mein Verständnis, weil es mir ja genauso geht. Und wir haben uns auch entschlossen, ihm sein Austragsstüberl zu lassen, ihn nicht unnötig unter Druck zu setzen und nicht vorwurfsvoll auf seine magere Ernte zu schauen. Wir haben einen kleinen Baum daneben gepflanzt; nur: zwischen Verderben und Werden … In drei oder vier Jahren werden wir wieder ein paar (viele?) Kirschen haben.

Dieses Jahr zum Beispiel hingen vier Kirschen – natürlich in den obersten, unzugänglichsten Zweigen. Selbst die Vögel wollten da nicht hin. Ich aber schon, denn so ein Jahr ohne Kirschenernte wär doch ein verlorenes Jahr! Ich hab sie auch geerntet, alle vier. Am schlimmsten war eigentlich, beim Klettern immer zu wissen: Und wenn du jetzt runterfällst, dann musst du dir auch noch blöde Sprüche anhören.

Ich hab sie natürlich nicht zu Marmelade verarbeitet, keinen Kuchen gebacken, sondern gleich aufgegessen, alle vier. So muss ich halt jetzt beim Nachbarn betteln oder zum Markt gehen, wenn ich meine Lieblingslimonade aus einem älteren Effilee zubereiten will:

Kirsch-Rosmarin-Limonade

 limonade

100 g Zucker mit 100 ml Wasser und 1-2 Rosmarinzweigen aufkochen und mindestens 6 Stunden zeihen lassen. Anschließend mit 120 ml Kirschsaft und 100 ml Zitronensaft in einer Karaffe vermischen und mit 580 ml Mineralwasser auffüllen. Auf Eis oder gut gekühlt servieren.