In der Heide

Ich war heute in der Heide. Noch einmal in der Sonne einen Spaziergang machen. Und vor allem um mal nach dem Wacholder zu schauen. Ich hab da nämlich noch ein Rezept auf der Halde, bei dem ich 5 Wacholderbeeren brauche. Wegen fünf Wacholderbeeren brauch ich erst gar nicht zum Gewürztandler zu gehen – der schmeißt mich eh raus. Und so sehen sie jetzt aus, die Beerchen:

wacholder

Puuh, ich hab überhaupt keine Ahnung von Wacholder, aber im Supermarkt sehen die meines Erachtens anders aus. Entweder es ist gar kein Wacholder (aber was soll in der Heide sonst schon wachsen?) oder er ist halt noch nicht so weit. Vielleicht warte ich einfach noch ein wenig ab. Zuhause wäre sicher noch eine Flasche Borovička, auf deren Etikett ich mal nachschauen könnte, aber zuhause wäre auch das Internet, in dem man mal nachschauen könnte. In der Heide gibt es kein Internet – Schnucken und Schäfer wollen wohl nicht überwacht werden, was man auch verstehen kann.

Also wandelte ich so vor mich hin wie weiland Hermann Löns und grübelte über die Zukunft. Man müsste einfach alles hinschmeißen, dachte ich, und völlig neu anfangen. Irgendwie moderner, irgendwie gerissener und mit weniger Skrupel. Es muss doch irgendwie möglich sein, aus Scheiße Geld zu machen! Andere können das doch auch.

Und wie ich so wandelte und dachte und sann, traf ich auf folgendes Völkchen

mistkaefer

und setzte mich ein wenig zu ihnen, um zu plaudern.

Aalso, sagten sie gedehnt, mit Geld hätten sie jetzt nicht so die ganz große Erfahrung, aber das mit der Scheiße sei prinzipiell schon mal eine gute Idee. Zum Beispiel sei ein ordentlich gerolltes Scheiße-Kügelchen als Argument bei der Begattungsvorbereitung in aller Regel sehr hilfreich. Ob bei uns Menschen die Begattungsvorbereitung auch so aufwändig und schwierig sei, vielleicht könne ja man damit Geld machen. Bei ihnen zumindest sei im Moment Pferdescheiße der Renner und käme bestens an. Man müsse sich da natürlich auskennen, die Lage sei wichtig, das Terroir. Und keineswegs dürfe man den Transport aus den Augen verlieren. Die Damen würden eindeutig auf frische Kügelchen abfahren, die nicht um die halbe Welt gerollt worden sind. Sie würden das „regionale Scheiße“ nennen und großen Wert darauf legen.

Das hier, sagten sie und deuteten neben sich, sei übrigens 1A-Pferdescheiße, könnten sie nur empfehlen. Wenn ich Bedarf hätte, könnte ich mich gerne bedienen, es sei genug da. Eine ganze Zeit lang, hätten sie von ihren Großeltern gehört, sei Pferdescheiße kaum aufzutreiben gewesen. Lediglich ein bisschen Schnuckenmist hie und da und Traktordiesel. Nun ja, was die Alten halt immer so erzählen, wer weiß schon, was da dran ist. Auf jeden Fall seien diese schweren Zeiten ja Gottseidank vorbei; von ihnen hier hätte das keiner mehr erlebt, sie könnten nicht klagen. Seit immer mehr Touristen kämen, gäb’s Kutschen zuhauf und ich solle mich doch mal umschauen, die Ernte sei noch nie so reichhaltig ausgefallen wie heuer. Man befürchte nur, dass das Auswirkungen auf den Heiratsmarkt habe und dass man demnächst wieder mühsam nach Schnuckenscheiße Ausschau halten müsse, um einen Coup zu landen. Vor ein paar Jahren sei der mit Wacholder parfümierte Mist große Mode gewesen.

Aber ich solle mir doch mal ihre kurzen Beinchen anschauen. Ob zum Beispiel ich damit durch die ganze Heide marschieren wolle, nur um einmal zum Zug zu kommen? Letztendlich rechne sich das nicht. Und es gäbe immer mehr, die auch Fastfood-Kügelchen zu schätzen wüssten. Also, Qualität sei ja schön und gut, aber allen neuen Trends müsse man ja auch nicht hinterherrennen. Da hätte man auch viel zu tun. Es soll jetzt in der Südheide schon welche geben, die einmal in der Woche Graskügelchen rollen. Das Leben eines Mistkäfers sei auch nicht mehr das, was es früher mal war.

Ach ja, fiel mir ein, weiß einer von euch, wann Wacholder erntefähig ist? Guter Mann, wurde mir erwidert, wir hier unten kennen die doch nur in verdautem Zustand! Außerdem, mal unter uns: wir wissen auch nicht, warum unsere Frauen so darauf stehen. Wir können dem eigentlich nichts abgewinnen. Aber nichts für ungut, war schön mit Ihnen zu plaudern.

Und so ging ich unverrichterter Dinge wieder nach Hause und statt Hirschgulasch gabs eine Tomatensuppe, die ich allerdings sehr empfehlen kann.