Notlösung

Du. Du bist dafür verantwortlich, dass es heute ein Abendessen gibt. Du weißt das. Du willst eine Mangoldtarte machen. Mit dem Quark-Blätterteig von Frau L. Du weißt, dass dieser Teig seine Zeit braucht. Ruhen lassen. Erste Tour. Ruhen lassen, Zweite Tour … Du weißt das das dauert.

Und du sitzt hier auf dem Markplatz in der Sonne mit einem recht ordentlichen Milchkaffee und einer fürchterlichen „Heißen Waffel mit Puderzucker“. Die Frau am Tisch neben dir sagt, sie würde hier sitzen bleiben, bis die Sonne untergeht. Der Plan gefällt dir. Du könntest sie jetzt fragen, wie sie das mit dem Teig machen wolle, schließlich sei es schon drei. Aber du befürchtest, dass sie Veganerin ist, und du hast gerade keine Lust, dich mit den Zeugen Jehovas zu unterhalten. Es ist ja erst 15:30 Uhr. Eine Stunde ruhen, eine Stunde gehen lassen, eine Stunde … das reicht.

Könnte ich, sagst du, noch einen Kaffee haben? Nein, keine Waffel. Die Sonne will und will nicht untergehen.

Du könntest vielleicht – ausnahmsweise – einen anderen Teig … einen Mürbeteig zum Beispiel. Eine (halbe) Stunde ruhen lassen, das reicht auf jeden Fall. Aber einen anderen Teig? Du hörst sie schon fragen, was das denn für ein Teig sei. Vorwurfsvoll natürlich. Obwohl der Mürbteig natürlich auch gut wäre, klar. Aber vorwurfsvoll halt. Und du befürchtest, dass die Erklärung, es sei Oktober und das sei nicht die Zeit, vor der Sonne zu fliehen, nicht verstanden würde. Und wenn du jetzt aufbrechen würdest, kurz vor vier, dann wär das ja kein Problem mit dem Quark-Blätterteig. Du bist verantwortlich. Brich auf.

Du solltest vielleicht nochmal kurz in deine Mailbox schauen, da war ja noch dieser Kunde mit seinem Problem. Warum bloß ist dein iPhone plötzlich so schwer? Warum weißt du plötzlich, dass du ohnehin nichts sehen wirst, weil der iRasierspiegel vor dir nicht klarkommt mit der Sonne. Du müsstest den Kopf drehen. Weg von der Sonne?

Könnte ich, sagst du, noch einen Kaffee haben? Nein, immer noch keine Waffel. Nie mehr.

Siebzehn Uhr fünf. Ich gehe jetzt, erschrickt dich die Frau an deinem Nachbartisch, die Sonne geht heut nicht mehr unter.

Mag sein, denkst du und wirfst einen Blick in die Mailbox. Das Display spiegelt natürlich, aber das Problem hat sich in Luft aufgelöst. Na bitte, geht doch.

Siebzehn Uhr dreißig. Du wirst auf der Nachhausefahrt das Autodach nicht zumachen müssen. Aber du solltest dich in Gedanken schon mal von der Mangoldtarte verabschieden, egal mit welchem Teig. Auf dem Weg liegt ein Metzger, denkst du, und im Garten hatten die letzten Tomaten heute wirklich genügend Zeit, reif zu werden. Also umdenken. Paules Fleischbällchen mit der Tomatensauce von Johannes. Und zum Nachtisch dann Sahnewaffeln nach Petterson und Findus mit Walnusseis und Schokoladensauce – nicht schlecht, findest du – für eine Notlösung. Nur dein Sohn fragt, wie du denn auf diese Idee gekommen wärst, Waffeln hätte es ja schon ewig nicht mehr gegeben.

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