Kausalität

„Du könntest mal wieder Linsen mit Sauerkraut machen“, sagte Frau T. und erntete einen ratlosen Blick.

Dabei ist die Auflösung natürlich einfach. Den schwäbischen Klassiker „Linsen mit Spätzle (und Saitenwürstle)“ habe ich tatsächlich schon länger nicht mehr gemacht (wobei Johannes mich doch erst kürzlich wieder daran erinnert hat). Und mein allerliebstes Reste-Essen ist halt „Spätzle mit Sauerkraut“, das kann man schon mal durcheinander bringen.

spaetzle

Ein Rezept braucht man dazu nicht, weil es ja ein Reste-Essen ist, d.h. das Sauerkraut schon fix und fertig ist und man es nur (so oft wie irgend möglich) aufwärmen, mit frischen Spätzle mischen und das Wammerl, das Kassler, das Eisbein, die Würsteln oder was es sonst halt zum Sauerkraut gab, kleingeschnitten daruntermischen muss. Die Spätzle müssen natürlich geschmälzt sein; ich persönlich mag es am liebsten, wenn sie fast paniert sind, aber das sei jedem selbst überlassen.

Aber ich schweife ab, die Überschrift hieß ja: Kausalität. Und genauso gerne wie ich Spätzle mit Sauerkraut esse, genauso gerne rege ich mich auf, wenn in wissenschaftlichen Studien immer wieder dieselben blöden Fehler gemacht werden.

Nehmen wir mal an, ein junger Wissenschaftler, der diesen Blogbeitrag nicht gelesen hat1), macht folgende Entdeckungen:

  • Menschen, die Linsen essen, sind glücklich
  • Menschen, die Sauerkraut essen, sind glücklich

Aha, denkt er, das gibt den Nobelpreis! Er jagt Linsen und Sauerkraut durch den Schredder, füllt sie in Reagenzgläser, gibt einige Ingredienzen dazu und wartet, bis die Maschine das Ergebnis ausspuckt, aus dem er dann den Stoff herauslesen kann, der beiden gemeinsam ist und folglich glücklich macht. Während der Wartezeit fängt er schon einmal an den Abstract zu schreiben, der heute natürlich in 140 Zeichen passen muss: Wahnsinn – Junger Wissenschaftler entschlüsselt das Geheimnis des Glücks!

Leider ist das Ergebnis dann aber nicht ganz so berauschend, weil die Spektrogramme der beiden Gerichte nicht die Bohne übereinstimmen. „Junge“, sagt seine Großmutter, bei der er wie immer in verzweifelten Situationen auf einen Schokoladen-Pudding vorbeischaute, „das ist doch ganz einfach“, und streicht ihm übers Haar, „Linsen werden mit Essig gekocht, und Sauerkraut – nun ja: Sauer macht glücklich!“.

Nicht nur dass du für diese Weisheit keinen Nobelpreis erwarten kannst, junger Wissenschaftler, sie ist auch noch völlig falsch. Die Wahrheit ist nämlich:

  • Spätzle machen glücklich
  • Ob man dazu Linsen isst oder Sauerkraut oder Kartoffelsalat, spielt überhaupt keine Rolle

Hat damals in der Vorlesung „Statistik I“ der wirre Mann am Pult nicht einen Vortrag über „Korrelation und Kausalität“ gehalten und vor dem Einfluss von Drittvariablen gewarnt? Aber mach dir nichts draus – du bist nicht allein.

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1) Man sollte ohnehin immer alle relevante Literatur lesen, gell?

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