Allerorten klagen Experten (meist älter Männer wie ich?) über die Gefahren der Anglisierung unserer schönen deutschen Sprache. Und Recht haben sie! Dieses ganze Social-Network-Gedöns, muss das denn sein? Was bitte ist falsch an einem Sportverein oder an der Freiwilligen Feuerwehr? Nichts! Das war gut, das ist gut, und das wird gut bleiben!
Aber es ist ja nicht damit getan, dass die Dorfkneipen verkümmern, weil sich die Landjugend lieber zum Binge-Drinking hinter dem Feuerwehrteich trifft, und die Buam und die Madln hektisch am Smartphone swipen anstatt adrett gekleidet am Dorfplatz zu flanieren. Daran könnte man sich – zwar ungern, aber immerhin – gewöhnen; wir Alten sind ja auch weltoffen geworden, sind Global Player und längst nicht mehr so stur und verbohrt, gell?
Nein, viel schlimmer sind die ökologischen Folgen. Man hat jetzt schon von neurotischen Vögeln gehört, die sich an den neuen Gesang „tweet, tweet“ nicht gewöhnen wollen und völlig durcheinander geraten, wenn ihnen ein altes „tschiep, tschiep“ dazwischen rutscht, was unter Vögeln offensichtlich sofort mit sozialer Ächtung oder Shitstorms aller Art bestraft wird. Sie vernachlässigen dann die Brutpflege, um in die Gesangs-Nachhilfe zu gehen, weshalb der Nachwuchs kläglich verhungert und verdurstet. Daraufhin werden weniger Larven und Mücken gefressen werden, die das aber nicht sofort merken und sich munter fortpflanzen und fortpflanzen und fortpflanzen, obwohl die Nachfrage stark nachgelassen hat. Die Experten streiten noch, welche Ausmaße das annehmen und welche Folgen das genau haben wird. Auf jeden Fall ist der Verband der Mückengift-Industrie schon mal bei Frau Merkel um Subventionen vorstellig geworden, weil sie die zu erwartenden Notfall-Kapazitäten aus eigener Kraft einfach nicht sicherstellen könnten. Wie üblich bei Subventionen sind die auch bereits gewährt, aber helfen würde eigentlich nur ein sofortiges Verbot von Twitter, was aber wegen der Sturheit und Uneinsichtigkeit der Jugend, die ja wegen jedem Dreck auf die Straße rennt, und wegen der globalen Verflechtungen der Datenleitungen und wegen den Auswirkungen auf die Märkte und damit auf Griechenland und Spanien und den gesamten Euro-Raum kaum Aussichten auf Erfolg haben dürfte.
Ich will das nicht kleinreden. Das wird fürchterlich werden, keine Frage. Aber die Menschheit hat schon manche große Katastrophe überstanden, deshalb bin ich dann doch vorsichtig optimistisch. Zumal bei den Grünen schon Arbeitsgruppen tagen, die prüfen, wie sich die gewaltige Windenergie, die durch das massenhafte Flügelschlagen erzeugt werden wird, in das Stromnetz einspeisen lässt. Die Ähnlichkeit von Libellenflügeln und Windrädern gibt Anlass zu Zuversicht, allein die Tatsache, dass auch nach drei Jahren Energiewende noch kein Stromnetz existiert, bereitet ein wenig Sorge.
Viel mehr als die Anglisierung beunruhigt mich deshalb der Einfluss des Deutschen auf unsere Sprache. Zwei Beispiele von vielen:
Erstens das schöne deutsche Wort Bank. Es führt – vor allem in seiner lieblichen Form „Bänkchen“ – seit jeher zu den schönsten Assoziationen an Müßiggang, Ruhe, Frieden und Sonnenuntergang, an Kontemplation und innere Einkehr. Kein Dorfplatz ohne ein schattiges Plätzchen, an dem der emsige und strebsame Mensch sich eingeladen fühlt, des Abends dort ein wenig zu verweilen und die Mühsal des Tages abzustreifen – Feierabend.
Seit einigen Monaten allerdings ist dieses Wort – vor allem in seiner unschönen Form „Banker“ – der Inbegriff von Hektik, Unruhe und immerwährenden Sorgen geworden, von Handygeklingel rund um die Uhr und von wie Metastasen sich ausbreitenden Derivaten und Blind- oder Taub-Verkäufen. Momentan werden diese armen Menschen in Millisekunden getaktet und arbeiten hart daran, diesen Takt noch zu verringern, um das Schlimmste zu verhindern. Eine Millisekunde, bitte, das spielt doch noch nicht einmal bei der Zubereitung eines Frühstückseis eine Rolle, wo selbst ich penibelst auf exakte Einhaltung der anhand von Luftdruck, Wetterlage und Hühnerrasse ermittelten idealen Zeitspanne achte. Eine Millisekunde, ich bitte euch! Ich möchte das Bänkchen wiederhaben und von Banken nichts mehr hören.
Zweitens das nicht weniger anheimelnde Wort Markt. Ach, welche Erinnerungen kommen da hoch, an den Bauernmarkt, den Blumenmarkt, den Trödelmarkt, die Markthalle, den Mercat de la boqueria in Barcelona, Les Halles in Paris oder – noch besser – an den lokalen Wochenmarkt. Wo man ein paar Karotten kaufen oder eintauschen konnte, wo die Eierfrau ihren Stand aufgebaut hatte neben dem Fischhändler und dem Metzger und der Bauersfrau mit ihren Erzeugnissen und neben dem Obststand mit den frischen Beeren, den saftigen Äpfeln, manchmal auch Nüssen und Pilzen und neben dem Kräuterweiblein mit Thymian, Bohnenkraut und Rosmarin, mit Lavendel, Kerbel und Minze. Und am wichtigsten: wo man ein Schwätzchen halten konnte, Rezepte mit den Händlern austauschen, den Dorftratsch mit der Nachbarin durchgehen, vielleicht ein Gläschen Wein oder einen Kaffee unter dem Sonnensegel zu sich nehmen – man musste nur rechtzeitig zum Kochen wieder zu Hause sein.
Das alles wurde in letzter Zeit weggefegt vom hässlichen Plural, den „Märkten“. Diese sind meistens nervös und gereizt, immer aber misstrauisch. Zumindest liest man das in der Zeitung, niemand weiß genau, warum. Wenn sie Feuer spucken würden, könnte man sie mit den Drachen aus der Ritterzeit vergleichen – gefährlich und unheimlich. Aber anstatt eines jungen, starken, mutigen Prinzen mit Pferd und Lanze, schicken wir unsere Jungfrau Merkel hinaus, die nicht mit ihrem Anblick die Märkte ängstigt, sondern die uns, ihre Untertanen, zu Wohlverhalten mahnt, damit nichts ganz Böses geschieht. Bitte nehmt dieses Wort zurück und lasst mir meinen Wochen-Markt!