Abgesang

Die Zeit, als „alter Sack“ eine Beschreibung für die anderen war, scheint abgelaufen.

Piraten heißen nicht mehr Errol Flynn (und auch nicht Johnny Depp), haben weder Augenklappe noch kühnen, in die Ferne gerichteten Blick, werden aber trotzdem gewählt. Von den anderen, den Jungen.

Das wäre noch nicht sonderlich schlimm. Gott, was hatten wir für Ideen, damals. Und letztendlich waren die alle gut. Dass das nicht alle verstanden haben: Kollateralschäden im Generationenkonflikt. Nichts besonderes.

Es hinterlässt natürlich ein mulmiges Gefühl, wenn man es trotz Bemühen nicht versteht. Aber das heißt ja noch nicht, dass es falsch es sein muss. Lass die mal machen, vielleicht verstehe ich es auch irgendwann. Und vielleicht wird dann alles gut – oder zumindest besser als mit der FDP.

Aber das ist ja nicht alles. Anatol Stefanowitsch hat einen „Offenen Brief an die Contentindustrie“ geschrieben. Nun muss ich nicht ein Loblied auf A.S. und seinen SprachLog singen, das haben schon viele andere getan. Und ich muss auch nicht alles gut finden, was er schreibt, obwohl ich es sehr häufig tue. Aber diese Suade hinterlässt mich sprachlos. Es geht um „Content“, also Musik, Texte, Bilder, Rezepte, und wie man damit umgehen darf, soll, kann – und A.S. wirft alles um, was meine Mutter mir versucht hat beizubringen. Generationenwechsel? Paradigmenwechsel? Wie geht’s jetzt weiter?

Nun ja, er war vielleicht schlecht drauf und hat das alles nicht so gemeint. Aber noch sprachloser hinterlassen mich die verzagten Repliken (z.B. Florian Freistätter auf den ScienceBlogs), die gerne – zumindest zum Teil – von dem leben würden, was sie produzieren. Aber auch sie scheinen zu spüren, dass da ein Zug in eine andere Richtung lostuckert. Aber darf man das? Darf man alle hergebrachten Prinzipien von Eigentum, Urheberschaft, eigener Leistung und was weiß ich alles einfach umwerfen, bloß weil es geht? Und wie wird das werden? Und legt ihr wenigstens noch eine kleine Pause, so dass ich noch ein paar Jahre so leben kann, wie ich es gewohnt bin?

Versteht mich nicht falsch, Jungs. Das ist eure Zukunft. Aber ich, ich versteh das alles nicht mehr und ich ertappe mich immer häufiger dabei, nur die Gefahren zu sehen bei eurem neuen Leben: wenn ihr euren virtuellen Rummelplatz zum RTL2-Nachmittagsprogramm machen wollt, bitte sehr, aber ich bin jetzt mal weg. Auf der anderen Seite, bei den alten Säcken.

Und deshalb suche ich mir Rezepte aus dem vorigen Jahrtausend. Rezepte, die zu mir passen. Fündig geworden bin ich jetzt erst mal 1996:

Morchel-Lasagne a la Wille Brass

(essen & trinken 12/96, für 4-6 Portionen)

Für den Nudelteig
250 g Hartweizengrieß mit 1 Ei und 3 Eigelb, 1 Prise Salz und 2-3 EL Wasser mit den Knethaken vermengen. Dann mit den Händen zu einem glatten teig kneten und in Folie verpackt etwa 30 Minuten ruhen lassen. Anschließend mit der Nudelmaschine nach und nach immer dünnere Platten ausrollen.

Je 6 Lasagneblätter von 6, 7 und 8 cm Durchmesser ausstechen. Portionsweise in reichlich kochendem Salzwasser 3-4 Minuten garen und abgetropft zwischen dünn mit Öl bepinselte Folieblätter legen.

Für das Ragout
50 g getrocknete Morcheln in einem Sieb gründlich abbrausen und mindestens 4 Stunden in 3/4 l lauwarmen Wasser einweichen. Die Morcheln ausdrücken und mehrfach gründlich waschen, eventuell halbieren. Das Morchelwasser filtern und auf 100 ml einkochen lassen. 3 Schalotten pellen, klein würfeln und in 40 g Butter glasig dünsten. Die Morcheln dazugeben und andünsten. Dann mit 2 EL weißem Portwein ablöschen und mit dem Morchelfond und 250 g Creme Double offen in etwa 6-8 Minuten bei großer Hitze einkochen. Mit Salz und Pfeffer würzen.

Aus 2 Eigelb, 2 EL Weißwein, 1 EL Zitronensaft
und 1/2 TL Dijon-Senf eine Hollandaise verquirlen, langsam erhitzen und 90 g geschmolzene Butter einrühren. In kaltem Wasserbad abkühlen lassen.

Die grossen Lasagneblätter nebeneinander in eine gebutterte feuerfeste Form legen, die Hälfte des Morchelragouts darauf verteilen und mit etwas geriebenem Parmesan bestreuen. Dann die mittelgroßen Nudelblätter darauf legen, den Rest Morchelragout darauf verteilen und wieder mit Parmesan bestreuen. Mit den kleinen Blättern abdecken, Hollandaise darüber löffeln und wieder mit Parmesan bestreuen. Mit je einer Morchel garnieren und bei 200 Grad auf der mittleren Einschubleiste im Ofen 5-7 Minuten überbacken.

 

Da die Fußball-Bundesliga englische Woche hat, reiche ich diesen Beitrag ein beim Event: „Das Eckige muss ins Runde“ und lade schnell alle Vegetarier aus dem Bekanntenkreis ein, weil es nicht allzu häufig vorkommt, dass bei uns noch nicht mal Speck oder Fleischbrühe verwendet wird.

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