Q12: Der kleine Mönch

Es war einmal ein junger Mönch. Man nannte ihn Fra Angelino, woraus wir erkennen können, dass es sich um einen italienischen Mönch handelte, dass er ein Gesicht wie ein kleines Engelchen hatte und dass er der eindeutige Liebling der älteren Damen war.

Genau das aber war sein Problem. Sicher, er hatte wegen seiner Profession der fleischlichen Lust entsagt und gedachte diese durch allerlei andere Genüsse zu kompensieren, aber es wollte ihm nicht so recht gelingen. Denn überall, wo er auftauchte, traf er auf eine liebliche, fast süßliche Grundstimmung: Dolce, wie das die Leute in seiner Gegend nannten – es ging ihm gehörig auf die Nerven.

Und so änderte er sein Facebook-Profil und gab sich den Beinamen L’Agretto, der Säuerliche. Die Agentur, die er für diesen Imagewechsel beauftragt hatte, war sich sicher, dass das klappen würde. Aber weit gefehlt! Carino und gracioso und nach wie vor dolce, das waren die Wortfetzen, die kurz vor der Ohnmacht über die Lippen der älteren und dank Facebook inzwischen auch jüngeren Damen kamen.

Eine eilig einberufene Krisensitzung in der Agentur kam dann zu dem Schluss, dass das zu einem großen Teil am spärlichen Bartwuchs des jungen Kunden liegen müsse, den man ja kaum als Flaum bezeichnen könne, und dass man fürderhin tunlichst an dieser Problemstelle ansetzen müsse. Man rief den Photoshop-Experten hinzu und binnen einer oder zwei Stunden war eine neue Kampagne geboren, die den Arbeitstitel „Barba del Frate“ (Mönchsbart) trug.

Der Eventmanager der Agentur legte allerdings Wert auf die Feststellung, dass das wenig Aussicht auf Erfolg hätte, wenn man nicht einige begleitende Medien-Ereignisse inszenieren würde und man wolle zunächst mit einer Tournee anfangen, weil der direkte Kontakt zu den Fans auch im digitalen Zeitalter nicht zu ersetzen sei.

Und so kam es, dass der kleine Mönch seine Sandalen schnürte, um nördlich über die Alpen zu wandern, wo – so ging die Kunde -Menschen mit genügend Kaufkraft wohnen sollten. Ein wenig davon wollte er „abschöpfen“, wie der Finanzexperte der Agentur das genannt hatte.

Das alles dauerte seine Zeit, weil offene Sandalen auf den Alpenpässen …, na ja, Schwamm drüber, bei Gelegenheit müsste er wohl mal die Agentur wechseln. Immerhin traf er dann in Basel auf belebtes Gebiet und nachdem er das eine Weile beobachtet hatte, kam er zu dem Schluss dass das mit der Kaufkraft hier durchaus auch zutreffen könnte – zumindest traf er nur vereinzelt auf Hungerödeme oder eingefallene Wangen. So machte er dann Station, ließ sich auf dem Markt nieder und wartete auf sein erstes Opfer seinen ersten Kunden.

Wie der Zufall es wollte, war das – mit einem Einkaufskorb ausgerüstet – Robert, der Neugierige. Wie sich beider Blicke trafen, war auch schon verabredet, dass sich Fra Angelino auf seinem Marktstand ein wenig ausruhen könne, weil Robert eine bequemere Methode kannte, die Kunde vom Säuerlichen in die Welt zu tragen. Und das tat er dann auch: Zunächst mit Eiertätsch, wie der Marketing-Experte die Fritatta nennt, dann klassisch mit Spaghetti, oder mit Wasserstriwla oder …

Weltweit wurden jetzt Fanclubs gegründet und die einzig Leidtragenden waren ein paar italienische Standbetreiber auf regionalen Märkten, die das dauerende Nachgefrage nicht mehr hören konnten und notgedrungen zuhause anriefen: „Habt ihr was von diesem kleinen Engel gehört, der auch der Säuerliche genannt wird?“ (Sie sagten natürlich L’Agretto, weil sie ja mit zuhause, also mit Italien telefonierten). Aber der Siegeszug war nicht mehr aufzuhalten.

Heike war natürlich sofort klar, dass sie handeln musste, als der erste Post in ihrem Feedreader auftauchte. Und weil sie sich nicht von dem – na ja: nicht immer zuverlässigen – Gemüsehändler um die Ecke abhängig machen wollte, hat sie sich Samen besorgt: L’Agretto, Mönchsbart, Barba die Frate, Senape dei Monaci, Barba del Negus – alle Beinamen, die die verzweifelte Agentur inzwischen in Umlauf gebracht hatte, passten gar nicht auf das kleine Samentütchen! Aber sie war damit autark und bereit für die nächste Stufe: Fernsäen, eine völlig neue und revolutionäre Ausgeburt der Evolution. Während der Samentransport in den Norden mit dem Wind sicher ein paar Jahrzehnte gedauert hätte, ging das mit DHL ratz, fatz.

Allzu südlich kann ich Q12 natürlich nicht ansiedeln, aber doch in Rufweite zu Oregano, Rosmarin und anderen italienisch-sprachigen Kräutern. 6-8 Wochen soll das dauern, mal schauen, ob der Mönchsamen das auch im hohen Norden schafft. Steph hat ihn ja schon auf dem Isermarkt entdeckt, aber ob der dort gewachsen ist oder von der Agentur eingeflogen wurde, wird sich dann ja wohl bald rausstellen. Und bis dahin können wir schon mal rätseln, was Heike sich mit dem kleinen Mönch einfallen lässt: mit Pasta? Zu Sauerbraten? Im Spätzlesteig? Es wird spannend.

Ob die Ernte auch so ausfällt wie in Kalifornien und ob der dort englisch redet und hier platt? Die Natur ist voller Überraschungen.

5 Gedanken zu „Q12: Der kleine Mönch“

  1. @Küchenschabe: Finger weg! Sonst muss ich euch doch noch auseinandersetzen.
    @Heike: Ja. Und so weit ich das beurteilen kann, wohlbehalten. Danke.
    @Robert: Falsche Agentur. Oder etwa gar keine?

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  2. Pingback: Bärtig

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