Erstens: Ich hatte einen Deutschlehrer mit einem Sprachfehler. Nun, Sprachfehler ist vielleicht etwas übertrieben, er hatte halt Schwierigkeiten mit den Lauten „ch“ und „sch“. Merkwürdigerweise in sämtliche Richtungen. Da konnte aus einem „Waschtisch“ der „Wachtich“ werden, genauso aber aus der „Blechschatulle“ eine „Bleschchatulle“ (oder so ähnlich). Auf jeden Fall war das für uns unbedarfte junge Menschen ein steter Quell der Heiterkeit.
Eines Tages nun wurde ein neues Arbeitsheft eingeführt und aus irgendwelchen Gründen begann er, daraus vorzulesen. Uns war das recht, und wir begannen sofort weg zu dösen. Als wir dann aber im Halbschlaf die spannende Abhandlung über „Das Verhältnis von Staat und Kirsche“ hören durften, waren wir schlagartig wieder hellwach. Manche begannen sofort, das Gehörte zu illustrieren, wobei mir persönlich eine Skizze besonders gut gefiel, in der ein Kaiser mit Krone an jedem Ohr einen Kirschenzwilling baumeln hatte, andere waren vollauf damit beschäftigt, nicht ungehörig loszuprusten, und mein Banknachbar begann, um sich abzulenken, interessiert in diesem neuen Arbeitsheft zu blättern.
Ich lauschte natürlich wie immer voller Interesse dem Vortrag und war gefesselt von den mannigfaltigen Konstellationen und Problemen, mit denen sich Staat und Kirsche über die Jahrhunderte hinweg herumzuschlagen hatten, im Frühjahr, im Herbst, vor allem aber im Sommer. Plötzlich prustete mein Nachbar, japste und rammte mir den Ellenbogen in die Seite. Er hatte, nur wenige Seiten vom aktuellen Aufsatz entfernt, eine andere spannende Erörterung gefunden und deutete aufgeregt auf deren Titel: „Die Archäologie im Wandel der Zeit“. Zum von uns allen mit Spannung erwarteten Vortrag kam es dann allerdings aus nicht mehr eruierbaren Gründen nicht – wir hätten es vielleicht auch nicht überlebt.
Zweitens: Ich hatte einen Platten-Crash. Mein Computerschrauber sagt, das könne passieren. Und ich hatte kein Backup. Mein Computerschrauber fragt, wie das passieren könne.
Nun ja, ich habe darauf verzichtet, ihm vom Thrill zu erzählen, den ein langweiliges Berufsleben manchmal nötig macht, von Adrenalinstößen, wenn die Festplatte quietscht, und solchen Sachen. Er hätte es nicht verstanden, das hat man an seinen Augen gesehen. Ich verstehe es ja auch nicht. Und ich werde mich ändern. Schließlich habe ich mehrere externe Festplatten rumliegen. Eine davon habe ich jetzt schon mal mit „Backup“ beschriftet. Und einen Zettel vorbereitet, den ich dazulegen werde:
Liebe (wahrscheinlich außerirdischen) Archäologen der Zukunft,
wenn ihr dieses kleine schwarze Kästchen findet, das fein säuberlich mit dem Wort „Backup“ beschriftet ist, dann müsste daneben auch ein schwarzes Kabel liegen. Das dünnere Ende passt in die Buchse des Kästchens, das dickere Ende müsst ihr in eine andere Buchse stecken, die mit „USB 3.0“ gekennzeichnet ist. Wenn euch „USB“ nichts sagt, dann kümmert euch lieber um etwas Wichtigeres und legt das Kästchen ins Archiv.
Im anderen Fall allerdings und wenn ihr den Inhalt des Kästchens dennoch nicht auslesen könnt, dann kann es dafür zwei Gründe geben:
- hat, aber das ist unwahrscheinlich, unsere Wissenschaft die Haltbarkeit dieses Datenträgers etwas überschätzt,
- oder, und das ist leicht möglich, habe ich doch nicht die Zeit und die Muse gefunden, tatsächlich etwas draufzuspielen
Wie auch immer, ich lege noch meine Magister-Arbeit dazu. Die ist auf einer 8-Zoll-Diskette gespeichert. Ihr müsst euch keine Vorwürfe machen, wenn euch das nichts sagt. In München, im Deutschen Museum, könnte irgendwo ein großer Kasten mit einem schmalen Schlitz rumstehen – probiert den mal aus.
Ich wünsche euch viel Erfolg und viel Spaß bei der Arbeit
Euer Michael
Ich könnte dir eine Geschichte von einer jungen Architektin (was gibt’s da zu lachen?) erzählen, die im Saarland fleissig ein Grundstück in der Kirschstr. 4 vermaß, die verwirrten Beschimpfungen des Nachbar missachtend.
Um dann eine Woche später nochmal hinzufahren…
Man sollte halte die Kirsche im Dorf lassen und NIEMALS schimpfende Nachbarn missachten!
(Ich hab übrigens nicht gelacht, wer war das?)
Magisterarbeit auf Diskette? Pffff …. Schreibmaschine! Das war noch was.
Mit dem Lachen, das war ich. Manchmal kann ich mich zwar nicht erinnern, warum ich lache, aber angeblich ist das normal in meinem Alter.
Wahrscheinlich hast du Recht. Die Magisterarbeit kann das nicht sein – die wurde gehämmert. Sicher falsch beschriftet, aber ein Diskettenlaufwerk tu ich mir nicht mehr an.
Kein Backup machen ist eine Sache – eine andere ist die, auf die Frage des Macs „wollen Sie die Festplatte wirklich formatieren“ auf „ok“ zu drücken. Das hat mein Mitkoch vor ein paar Jahren am Silvesterabend gemacht. Und – falls jemand fragt – natürlich hatte ich kein Backup. Und eine leere, sauber formatierte Festplatte. Und ein fröhliches Silvester. Meine (zugegeben vielleicht objektiv nicht wahnsinnig interessanten) sämtlichen grafischen und keramischen Entwürfe, meine sämtlichen Fotos, alle Jobs, die ich für Freunde jemals erledigt hatte (Logos, Briefpapiere usw.) – alles weg. Und ja, einige Tage darauf habe ich schon wieder mit ihm gesprochen 😉 …
Aber gekocht hast du doch hoffentlich sofort? Beim Essen muss man ja nicht unbedingt reden.