Falls im letzten Post ein falscher Eindruck entstanden sein sollte: Region ist Klasse! Die „Produkte unserer heimischen Erzeuger“ sind Top!
Manchmal tu ich mich halt ein bisschen schwer. Da machen Heike und Claus Spätzle und der Schwabe in mir kriegt feuchte Augen, weil er so weit von der Region entfernt ist, dass der Metzger, wenn er denn überhaupt Kalb hat, mit „Eigmachd Kalbfleisch“ so gar nichts anzufangen weiß und also auch keine rechte Diskussion über das beste Stück aufkommen mag (Brust!).
Da gibt es einen Krrustenbraten als Gruß aus der Küche, und mein bayrisches Herz weint um einen Kastanien-Garten und Brezen und Obazdn – von denen es hier trotz Globalisierung und verstopfter Autobahnen nicht die leiseste Spur gibt.
Hier gibt es: Kartoffeln. Gut, es gibt gute Kartoffeln. Es gibt sogar Kartoffeln, die sind so gut, dass es eigentlich gar keine Kartoffeln sein können. Und sie haben Namen. Zuhause gab es Spätzle und Spätzle und Salzkartoffeln. Und die hießen „Mehlig“ und „Festkochend“ und für die weiblichen FDP-Abgeordneten gab es den Doppelnamen „Vorwiegend-Festkochend“. Und jeder hat schon mal eine Marktfrau beobachtet, wie sie alle Kundenwünsche aus einem Korb erfüllt – ist doch egal.
Das geht hier in der Heide gar nicht. Vielleicht weil nichts anderes wächst und man nicht immer nur „Kartoffeln“ kaufen will, kauft man hier Belana und Cilena und Allians und Finka (und tausend andere) und neuerdings pflanzen progressive Erzeuger auch ganz globalisiert Bamberger Hörnchen und La Ratte – und der Heideboden tut den Kerlchen schon verdammt gut. Vielleicht ist die Heide ja eigentlich eine Wellness-Farm für Nachtschattengewächse?
Obwohl es bei uns in der Familie in den sechs Monaten, die wir jetzt hier sind, schätzungsweise 6000 mal Kartoffeln gab (die Statistik ist trotz Küchentagebuch nicht ganz zuverlässig), haben wir längst nicht alle Sorten und Kombinationen durch. Nahezu wöchentlich verschwinden welche vom Markt und werden durch andere ersetzt – es gibt nämlich auch frühreifende und spätreifende Sorten und irgendwas zwischendrin. Und es wird noch komplizierter: Mein Favorit ist die Belana. Aber nicht irgendeine Belana, sondern nur die vom Bauernhof in Ilster. Weiß der Teufel warum, aber mehrere Fehlkäufe auf dem Markt haben mich vorsichtig werden lassen. Mir dreht keiner mehr eine Kartoffel ohne Bodenprobe an! Deshalb bin ich schon froh, dass ich den Versand nicht brauche.
Langsam gehen mir aber die Kartoffelrezepte aus. Und beim Thema Dessert waren und sind wir bislang kartoffel-freie Zone. Das liegt natürlich nur an meiner Phantasielosigkeit und weil ich wohl immer noch nicht richtig angekommen bin in der Region Lüneburger Heide. Aber dafür gibt es ja Kochbücher. Im Landbuch-Verlag Hannover ist 2001 der Band „Leckeres aus der Kartoffelkiste“ erschienen, und dort gibt es ein Rezept für
Gefrorenes Kartoffel-Orangen-Soufflé
(für 4 Personen)
- 2 Eier und 3 Eigelb mit 100 g Ahornsirup und 50 ml Orangensaft in einer Metallschüssel mischen und schaumig rühren.
- In einem breiten Topf 2 Liter Wasser zum Kochen bringen und die Metallschale ins heiße Wasserbad stellen. Die Ei-Sirup-Masse schlagen, bis sie eine leichte Bindung erhält und sämig wird (zur Rose abziehen).
- In die Eimasse 50 ml Orangenlikör, das klein geschnittene Fruchtfleisch einer Orange und 100 g gekochte und gepresste mehlig kochende Kartoffeln (Finka oder Hela) unterrühren und abkühlen lassen.
- 250 ml Sahne steif schlagen und vorsichtig unter die Soufflé-Masse heben. Die Masse in Förmchen füllen und abgedeckt über Nacht gefrieren.
Fau T.’s Kommentar: „Ned greislich.“ Und von mir aus hätte man die Kartoffeln vielleicht auch weglassen können, aber ersatzweise mit Spätzles-Teig oder Semmelnknödeln wär’s ganz sicher nicht gegangen.