Apropos regional. Ich bin ja vor ein paar Monaten von München in die Lüneburger Heide gezogen. Am meisten erstaunt das die Leute hier in der Heide. „Um Himmels willen, wie kommt man denn auf die Idee?“ hat uns schon der Notar begrüßt – es hätte uns zu denken geben sollen.
Und direkt nach der ersten Ich-kann-es-nicht-fassen-Reaktion kommt garantiert die Frage: Und? Wie ist es auf dem Oktoberfest?
Am 17.9. geht’s ja wieder los: O’zapft is! Wenn ich noch dort wohnen würde, würde mich das nicht sonderlich betreffen. Sicher, es wäre schwieriger bis unmöglich einfach mit der S-Bahn zu fahren, und mit einer Trachten-, Janker- oder Landhausmoden-Allergie sollte man nicht unbedingt auf die Straße gehen. Aber sonst? Wenn man Glück hat, kommt ein schöner Herbsttag und man kann sich still in einen ruhigen Biergarten setzen und in eine Maß Bier träumen. Doch, das ist schon schön, ginge aber auch ohne Wiesn.
Völlig anders hier im Norden. Es scheint als ob hier alle dem Event entgegenfiebern, vielleicht eben weil es so weit weg ist. Und weil die Schützenfeste und Dorffeste und Heideblütenfeste oder das Weinfest (sic!) schon soo lange vorbei sind, musste jetzt endlich was passieren, und die Anzeigenblätter am Wochenende waren voll davon.
Vom 17.9. bis 2.10. macht das Landhotel Heidkrug in Alvern „Bayrische Wochen: Spezialitäten vom Weißwurst-Äquator und frisch gezapftes Paulaner vom Fass“ und am Eröffnungstag ist Musik und Tanz mit den Deichtirolern, das wird bestimmt lustig. Aber was noch viel wichtiger ist: alle Supermärkte der Gegend überbieten sich mit Sonderangeboten für Schweinehaxen, Leberkäse, Weißwürste und Spanferkel.
Ich gebe es zu. Beim Spanferkelrücken bin ich schwach geworden. Im Supermarkt – wenigstens nicht abgepackt. Keine Ahnung, wo das arme Tier herkommt, aber dem Preis nach zu urteilen kann es keine sehr glückliche Jugend verbracht haben. Trotzdem.
Zuhause dann allerdings die Zweifel. Nein, nicht ob ich das jetzt essen darf, sondern wie. Am einfachsten wäre es sicher gewesen den Schuhbeck auszupacken und ein richtig rösches Krusterl auf die Schwarte zu zaubern mit Krautsalat und Semmelnknödeln. Aber das war mir dann doch ein bisschen zu viel gefühlsduseliges heimwehseliges Ach-wie-ist-das-schön-Kochen.
Neben dem Herrn Schuhbeck im Bücherschrank steht aber der Herr Lafer aus Österreich und – weil mir das auch nicht weit genug weg wäre – führt er uns mit seinem Rezept
Marinierter Spanferkelrücken mit Pilzen aus dem Wok
mittenmang hinein ins ferne Asien, das ist weit genug. Da ich wieder einmal keinen Link auf das Rezept präsentieren kann, muss ich wohl ein wenig erzählen, wie er das macht, oder zumindest, wie ich das nachgemacht habe.
Bei 1 Spanferkelrücken (ca. 700 g) wird am Vorabend die Schwarte mit einem scharfen Messer rautenförmig eingeschnitten und das ganze Teil mit einer Paste einmassiert, die entsteht, wenn man je 2 Schalotten und Knoblauchzehen fein würfelt, 150 g Zitronengras schält und fein hackt, 80 g Galgant- und 50 g Ingwerwurzel (oder 130 g Ingwer) schält und in feine Würfel schneidet, 1 Chilischote entkernt und fein würfelt und das Ganze dann mit 1TL Kurkuma mischt, im Blitzhacker püriert und mit gemahlenem Koriander, Salz und Zucker würzt.
Am nächsten Tag heizt man den Ofen auf 160° vor, schabt die Gewürzpaste vom Fleisch und legt den Spanferkelrücken mit der Schwarte nach oben auf ein Backblech und schiebt ihn für 25 bis 30 Minuten auf der mittleren Schiene in den Ofen. Dann schaltet man den Backofengrill ein und lässt den Braten weitere 10 Minuten knusprig werden.
Parallel sollte man die Pilze vorbereiten: 250 g gemischte Pilze (Shiitake-,Austernpilze, Champignons) pinseln oder feucht abwischen und eventuell halbieren. 2 Schalotten und 1 Knoblauchzehe schälen und in feine Würfel schneiden. 1 Bund Koriandergrün waschen, trocken schütteln und die abgezupften Blättchen fein hacken. Dann 4 EL Erdnussöl im Wok (oder einer großen Pfanne) erhitzen und die Pilze darin (bei starker Hitze) unter Rühren kurz (ca. 3 Minuten) braten, Schalotten, Knoblauch und Koriandergrün kurz mitbraten; Hitze reduzieren und mit 1 EL Sojasauce ablöschen. mit 1EL gehacktem Koriandergrün, Salz und gemahlenem Koriander abschmecken.
Schließlich den Spanferkelrücken in Scheiben schneiden, mit den Pilzen anrichten und mit Korianderblättchen garnieren.
Womit das Küchentagebuch kurz gehalten werden kann:
- Marinierter Spanferkelrücken mit Pilzen
- Apfelkücherl mit Vanilleeis
Und warum?
- Weil bald o’zapft is und meine norddeutschen Landsleute das kräftig mitfeiern und weil die Welt so klein geworden ist, dass dazu dann auch Zitronengras und Ingwer geht.
Weil Frau T. allerdings eine mentale Korianderintoleranz hat, musste Petersilie aushelfen. - Eine zarte Reminiszenz an Bayern und ein dezenter Hinweis an Sohn T., dass es bei der Apfelernte genauso monoton werden könnte wie bei den Zwetschgen.
Fazit
- Ich hatte meine Zweifel, aber die sind zerstreut: überhaupt nicht bayrisch und die Aromen der Marinade kommen richtig gut zur Geltung. Dass ich beim Würzen der Pilze die Salzmühle samt Inhalt in die Pfanne gekippt habe: Kollateralschaden; etwa die Hälfte war noch nicht kontaminiert, aber die andere Hälfte wurde trotzdem auch fast aufgegessen – wär echt schade gewesen sonst.
- So ein bisschen Heimweh ist schon schön.