Hydroxymethylfurfural

Hier sind die drei Hauptdarsteller – von links nach rechts: eine Quitte, ein Dampfentsafter und ein Glas Quittengelee.

Natürlich ist dabei die Reihenfolge nicht ohne Belang. Denn wenn man das Quittengelee schon hätte, wär alles viel einfacher, man könnte den Dampfentsafter in den Schrank räumen und die Quitte – tja, was macht man eigentlich mit einer Quitte? Egal.

Den Dampfentsafter habe ich rechtzeitig zur Inbetriebnahme des Gartens erstanden, in der weisen Voraussicht, dass mehr Obst anfallen wird als eine dreiköpfige Familie mal eben so wegessen kann.

Die Quitte ist mir in den Einkaufskorb gehüpft, weil sich vor meinem inneren Auge unter Einsatz des Entsafters eine Transformation zu Quittengelee abgezeichnet hat – und ich liebe Quittengelee.

Fast hätte ich, als ich mit meiner Beute nach Hause kam und den Dampfentsafter nach einer verzweifelten Suche endlich im Gartenhaus gefunden hatte, auch gleich angefangen zu schnippeln. Aber irgend ein Teufel hat mich geritten und an den PC getrieben und „Quittengelee“ in das Google-Suchfeld eintippen lassen.

Und siehe da: Soo einfach ist die Sache ja nicht. Für ein Quittengelee braucht man Quittensaft. Und um aus einer Quitte den Saft rauszulocken, gibt es prinzipiell drei Möglichkeit: Erstens die Quitte in Wasser zu kochen und dann (über Nacht) den Saft durch ein Mulltuch tropfen lassen, zweitens den Einsatz eines Dampfentsafters mit der stückig geschnittenen Quitte zu befüllen, Gas zu geben und abzuwarten, oder drittens einen dieser modernen Zentrifugen-Entsafter anzuwerfen, der die Quitte so lange an die Wand wirft, bis sie den Saft freiwillig hergibt.

Kein Problem. Eine Nacht warten ging ja nun mal gar nicht, moderner Technik begegne ich traditionellerweise mit Vorsicht und außerdem hatte ich den Dampfentsafter ja schon bereitstehen. Also Suche verfeinern: „Quittengelee Dampfentsafter“.

Im hobby-garten-blog.de dann auch schon der erste Dämpfer: „Unter anderem kommt es durch die Reaktion von Kohlenhydraten mit Aminosäuren zur Bildung von Hydroxymethylfurfural und das schmeckt offenbar nicht.“ Was um alles in der Welt ist dieses Hydro-Dingensda?

Je nun, auf der Wiki-Seite winkt ein fröhliches Männchen, das mit der linken Hand ein HO in die Höhe hält und rechts ein O nach oben stemmt und ein H am Ellbogen baumeln lässt. Sieht eigentlich ganz freundlich aus, aber was bedeutet das schon? Keine Angaben zum Geschmack, aber der zarte Hinweis auf eine „Mögliche Kanzerogenität“. Hab ich’s mir doch gedacht! Ich bring mich beim Frühstück ins Grab! Obwohl, es gibt Stimmen, die meinen, das sei „noch nicht wirklich erforscht“ und überhaupt sei der Stoff hauptsächlich interessant, „wenn es um die Herstellung von Polymeren geht„. Klasse, da kann ich mit meinem Marmeladebrot der Erdölchemie Konkurrenz machen – fangt schon mal an zu zittern, Jungs!

Aber das mit dem Geschmack ist noch nicht ausgestanden. Auf der Webseite „Fruchtwein selbst gemacht“ kann man dem Dampfentsafter nicht viel abgewinnen: „Die geschmacklichen Veränderungen werden unter dem Begriff ‚Kochgeschmack‘ zusammen gefasst. Typisch für die hitzebedingte Aromabildung ist das Auftreten einer Verbindung namens Hydroxymethylfurfural (HMF), die zum Beispiel bei der Reaktion von Kohlenhydraten mit Aminosäuren entsteht. Die Bildung von HMF hängt ab von der Erhitzungstemperatur und auch vom pH-Wert: Das saure Milieu in Fruchtsäften fördert leider die HMF-Bildung. Beim Honig und beim Traubensaft ist ein hoher HMF-Wert zum Beispiel ein Maß für eine Qualitätsverschlechterung.“

Honig und Traubensaft okay, da mag ich auch keinen „Kochgeschmack“, aber beim Gelee? Man kann’s auch übertreiben. Und, wenn mein Gelee denn schon nicht schmeckt, ist es dann wenigstens gesund? Aber auf jeden Fall: „CIOGEN® hilft, Sauerstoff besser zu verwerten„, und aus was besteht CIOGEN? Aus Alpha-Ketoglutarsäure und – eben – dem „rein pflanzlichen 5-HMF (5-Hydroxylmethylfurfural)“. Und wem das noch nicht reicht, und wer sich vielleicht das Rauchen oder Saufen abgewöhnen will, der sollte sich mal die Patentschrift von drei Österreichern mit dem Titel Mittel zur Raucherentwöhnung oder zur Alkoholentwöhnung anschauen. Ich zitiere:

Aus der AT 393221 B ist bekannt, dass alpha-Ketoglutarsäure und 5-Hydroxymethylfurfural eine zerstörende Wirkung auf maligne Tumore haben.
Es wurde nun überraschender Weise gefunden, dass sich dieses Mittel hervorragend dazu eignet, sich das Rauchen oder übermäßigen Alkoholkonsum abzugewöhnen. Besonders hervorzuheben ist, dass dieses Mittel nahezu keine unerwünschten Wirkungen entfaltet, lediglich ein verstärkter Harndrang wurde beobachtet.

Ein verstärkter Harndrang nach dem Frühstück. Auf dieses Risiko lass ich mich ein.

Ich glaube, mein Großmutter und meine Mutter haben einfach Gelee gekocht, ohne zu googeln. Vielleicht war das auch schön.