„Is it possible to be both terrified and bored?“ fragte Paul Krugman am Montag in der NYT in seiner Kolumne „Euro Zone Death Trip“. Ja, Herr Klugman, ich (teile Ihre Ansichten über die Eurokrise nicht, aber ich) teile dieses Ihr Gefühl, immer öfter.
Wir Deutschen sind ja die Erfinder der „German Angst“, also kennen wir das mit dem „terrified“ sehr gut. Aber wenn sich die ganze Welt wundert, mit welchem Gleichmut wir inzwischen die Katastrophen wegstecken, dann hat das sehr viel mit „bored“ zu tun. Langeweile, die auch von professionellen Angstmachern nicht mehr vertrieben werden. Weil wir doch alles schon kennen und weil alles doch ohnehin „alternativlos“ ist und weil man langsam schon ein bisschen Mitleid kriegt, wenn man ansehen muss, wie bemüht und angestrengt inzwischen um die Alternativen herumgewinselt werden muss. Nein, ich bestreite, dass das Fatalismus ist, Langeweile trifft das viel besser, tödliche Langeweile.
Ich gebs zu, ich habe ARTE geguckt, „Die Tricks der Lebensmittelindustrie“. Und da waren sie alle. Sarah Wiener, die glaubt, die Welt wäre in Ordnung, wenn sie die Marktfrau fragen kann, wo ihr Zeug denn herkommt, hat freundlich Gemüse geschnippelt – für einen gesunden Salat. Udo Pollmer hat die bewährte Expertenmine aufgesetzt und nochmal verraten, dass natürliches Pfirsicharoma von Schimmelpilzen produziert wird – igitt. Thilo Bode war da und hat die Milchschnitte in die Kamera gehalten und den Zuckergehalt des Monte Drinks angeprangert – empör. Und irgendein Toxikologe wollte wissen, ob die auf dem Gemüse gemessenen Pestizid-Rückstände toxisch sind, und warum er das nicht erfahren darf – gefährlich. Und keiner der Konzerne hat es für nötig befunden, Stellung zu nehmen; da fahren die lieber nach Brüssel und schmieren die Bürokraten – Lobbyismus.
Doch, ich bin auch nicht aus Stein, das erschreckt mich schon. Aber hey, ich werde in Gorleben belogen, ich werde von Banken beschissen, ich werde von Nestle vergiftet – echt, das ödet doch an. Es wäre doch mal Zeit, mir was anderes zu präsentieren – selbst die Nachmittags-Talkshows haben irgendwann ein Ende gefunden. Vielleicht entdeckt ja Frau Aigner in der Mitte der Legislaturperiode, dass sie Verbraucherministerin ist; könnte ja sein, dass sie in der Mittagspause mal einen Blick auf die Tafel an ihrem Ministerium wirft. Und dass sie dann zu Felde zieht gegen die Giftmischer und dass sie uns überrascht mit der Erkenntnis, dass Enteignung jetzt wirklich „alternativlos“ sei.
Aber dann müsste sie als allererstes diesen netten Beamten entlassen (oder in den Ruhestand schicken, oder was immer man da auch macht), der um Verständnis wirbt, dass so ein armer Pestizidhersteller doch wirklich und wahrhaftig Millionen ausgeben muss, um ein neues Gift zu entwickeln. Da könne man doch nicht ernsthaft von ihm verlangen, dass er sein Rezept öffentlichen Instituten zur Begutachtung vorlegt. Es gäbe da ja auch – wie sagt man doch gleich – ökonomische Aspekte. Ja weiß denn dieser Hanswurst nicht, dass derselbe Hersteller Milliarden-Gewinne macht und dass diese Kosten vielleicht auch von diesem Kuchen abgezweigt werden könnten und dass er – falls sich das wirklich nicht rechnen sollte – vielleicht irgendwas falsch macht, und dass man sowas Marktwirtschaft nennt? Tut mir leid, ich muss euch alle vergiften, sonst mache ich doch keinen Gewinn – schnief?
Ich könnte mich aufregen, aber da ist langweilen doch erheblich gesünder.