Fernsäen

Letztes Jahr um diese Zeit hatte ich einen nigel-nagel-neuen Gemüse-Garten. Ich hab ihn urbar gemacht, Wege angelegt, Beete abgegrenzt und: ich hatte einen Plan. Wo die Tomaten hinsollen, welche Bohnensorte gepflanzt werden sollen, welche Kräuter Sonne brauchen, welche lieber im Schatten wohnen und wo sich die Zucchini ausbreiten dürfen.

Das war alles säuberlichst vorbereitet und an langen Winterabenden durch das Studium aller möglichen Fachliteratur wieder und wieder verifiziert, modifiziert und schließlich festgelegt. Da war die Aussaat ein Klacks: Tütchen aufreißen, Plan befragen und großzügig streuen – fertig. Den Rest macht dann Mutter Natur. Okay: die Karotten ließen sich nur mit einem Presslufthammer ernten, die Kohlernte ist gänzlich gescheitert, weil doch kein Mensch wissen konnte, dass eine einzige Zucchini-Pflanze soo viel Platz braucht, und den Spinat hatte ich ganz vergessen.

Aber sonst: nichts geht über einen guten Plan.

Nur dieses Jahr: Kein Plan weit und breit. Und der Mai naht und nähert. Und zu allem Überfluss ist die Gartenfläche auch noch angewachsen, weil wir einen Zwetschgenbaum hinterrücks gemeuchelt haben.

Was also tun? Der Garten ist etwa 12m lang und 4m breit. Das macht summa summarum um die 40 m² Nutzfläche, weil da ja noch der besagte Weg durchgeht. Und auf der ganzen Fläche steht einsam und verlassen ein Schnittlauch im Wind. Wenn sich nicht bald was tut, wird das eine sehr traurige Angelegenheit und ein sehr gutes Geschäft für den Gemüsehändler auf dem Wochenmarkt.

Und so ist die Idee entstanden: Ich mach den Garten einfach Public Domain oder Open Source oder so was. 20 qm werden der Crowd Wisdom überantwortet, fein parzelliert, und jeder, der schon immer mal sein eigenes oder ein ganz besonderes Gemüse haben wollte, kann sich melden, eine Parzelle adoptieren und darf dann bestimmen, wann und was ausgesät werden soll. Ich werde die Parzellen dann nach Kräften häckeln, notfalls wässern und sorgsam päppeln. Zur Ernte kann dann noch ein Rezept eingereicht werden, das ich dankbar entgegennehme und dafür im Gegenzug ein Bild von den Gesichtern der schmausenden Gäste veröffentliche.

Das nenn ich mal einen Plan! Auf gehts: Zur Verfügung stehen der Einfachheit halber die Parzellen Q1 bis Q20, der Rest wird Gründüngung.

P.S.: Gerade lese ich in der Süddeutschen, dass es außer dem Menschen noch ein gärtnerndes Lebewesen gibt: Den Fleckenlaubenvogel (Chlamydera Maculata). Es ist nämlich so, dass der Laubenvöglerich seiner Laubenvögelin gerne (oder notgedrungen) bunte (das heißt: grüne) Früchte vor das Nest legt, weil sie sonst Migräneanfälle vortäuscht. Natürlich nimmt die Beschaffung dieser Früchte einen nicht unerheblichen Teil seiner Lebenszeit in Anspruch, was ihn wohl auf die Dauer etwas genervt hat. Also entfernt er auf einem Platz in der Nähe seines Nestes das Gras und die Blätter. Und wenn jetzt eines der drapierten Früchtchen anfängt zu schrumpeln oder unansehlich zu werden, dann muss er ese ja entfernen, weil Frau Laubenvögelin das gar nicht goutiert. Und dann legt er es auf dem vorbereiteten Beet ab. Dreimal dürft ihr raten, was da nächstes Jahr wächst: wunderschöne grüne Früchte! Es gibt also mehr als einen Grund, das Samentütchen aufzureißen!

P.P.S: Wenn das mit dem Open-Source-Garten klappt, dann mach ich nächstes Jahr statt Frühjahrsputz Tele-Wischen.