Selbstüberschätzung

Selbstüberschätzung hat einen Namen: Danning-Kruger.

Nein, nicht dass sich diese beiden besonders gern und gekonnt selbst überschätzt hätten. Justin Kruger und David Danning von der Cornell University haben sich im Gegenteil verdient gemacht, Licht in das Dunkel zu bringen. Ihr 1999 erschienener Artikel trägt den Titel: „Unskilled and Unaware of It“, also etwa: „Unbeleckt von Kenntnissen und Fertigkeiten, aber absolut überzeugt von der eigenen Brillanz“.

Ausgangspunkt ihrer Studien war eine merkwürdige Beobachtung: 70% der Autofahrer halten sich zum Beispiel für überdurchschnittliche gute Autofahrer. Das wirft natürlich die Frage auf, ob vielleicht herkömmliche statistische Methoden fehlerhaft sind. Die würden nämlich darauf bestehen, dass höchsten jeder Zweite überdurchschnittlich sein kann – wir lassen jetzt erst mal die feinen Unterschiede zwischen Median und Mittelwert beiseite. Wenn man daran nun aber nicht zweifeln will, dann muss es eine andere Erklärung geben, und Dunning-Kruger entwickeln eine bestechende Hypothese: Gerade die Tiefflieger neigen zur Fehleinschätzung.

Und das macht auch Sinn, sagen sie, denn: Die Fähigkeiten, einen grammatisch korrekten Satz zu bilden, sind exakt dieselben, wie die, einen grammtisch richtigen Satz zu erkennen. Um also einen Fehler zu erkennen, muss man wissen, wie man ihn vermeidet. Und so kommen sie in mehreren Experimenten zum immer gleichen Ergebnis.

Im ersten Experiment zum Beispiel wurde Studenten eine Liste von Witzen vorgelegt. Zunächst sollten Sie beurteilen, ob der jeweilige Witz lustig ist. Anschließend wurden sie gebeten, einzuschätzen, wie gut sie ihrer Ansicht nach – bezogen auf andere Studenten – beurteilen können, ob ein Gag ein Kracher ist. Das Ergebnis:

zeigt deutlich, dass die Low Performer im unteren Quartil sich deutlich überschätzen, während die Probenden im oberen Quartil ihre Fähigkeiten sogar ein wenig zu pessimistisch einschätzen, und: alle, auch die Tiefflieger, liegen in ihrer Selbsteinschätzung über 50%, wähnen sich also überdurchschnittlich.

Nun ja, Humor ist halt Geschmacksache, könnte man einwenden, aber die weiteren Experimente (Logik-Tests und Sprachkompetenz) führen zu ähnlichen Diagrammen.

Was hat das jetzt zu bedeuten? Nehmen wir mal zum Beispiel: mich. Einen der besten Risotto-Köche der westlichen Hemisphäre, und das auch nur, weil ich nicht weiß, ob im asiatischen Raum überhaupt Risotto zubereitet wird. Ich wäre also im obigen Diagramm eindeutig in der rechten oberen Ecke zu finden. Woraus ich aber schließen müsste, dass ich meine Fähigkeiten tendenziell eher unterschätze! Wie soll das gehen? Noch cremiger, noch schlonziger, noch mehr Nicht-von-dieser-Welt kann doch ein Risotto gar nicht sein! Bin ich die Ausnahme? Oder hat sich in die Experimente von Danning/Kruger doch ein Fehler eingeschlichen? Man muss es fast vermuten.