Eurokrise hin, Hungersnöte her, wir leben endlich im kulinarischen Paradies! Demnächst vielleicht mal abgesehen von griechischem Yoghurt haben wir eigentlich alles, was sich Feinschmecker je erträumt haben.
Salzlämmer aus der Normandie, Bresse-Kapaune, Austern aus der Bretagne, gestopfte Gänseleber aus der Tiefkühltheke. Frische Fische aus überquellenden Meeren, Barben, Brassen und Loup der Mer. Feiner Spargel, das Pfund für 99 Cent. Grüne Erbsen rund ums Jahr dank niemals versagenden Kühlketten. Aromatische Erdbeeren aus dem regenreichen Andalusien. Frischer, vitaminreicher vorgeschnittener Salat um die Ecke. Es ist ein Traum!
Freilaufende Stubenküken, frische Eier, die Mauser ist ausgerottet! Wildbret und Fasane aus tiefgrünen deutschen Wäldern; eichelgemästete Schweinekarbonaden – nur gewürzt mit wenig Fleur de Sel und leicht in irischer Sauerrahmbutter geschwenkt: herrlich!
Nur ein Problem haben wir noch nicht richtig im Griff, weder an der häuslichen Tafel noch in den Herbergen, in denen sich die Digitalnomaden des Abends zusammenfinden:
„Es stände zu wünschen, daß man während des Mahles die Anwesenheit der Bedienten entbehren könnte oder daß sie dabei wenigstens immer im Gefolge des Haushofmeisters erschienen und sich dann wieder entfernten, anstatt wie Automaten hinter dem Stuhle jedes Gastes aufgepflanzt zu bleiben. Ihr leerer Magen, ihre gierigen Blicke und ihre gespitzten Ohren machen diese Beharrlichkeit zu einer wahren Marter für die Tischgenossen und für sie selbst (…) Die leckeren Sachen, die sie beständig vor Augen haben und nicht genießen können, werden zu wahrhaft peinvollen Erfahrungen für sie (…) und der Anblick dieser schmachtenden Mienen und gierig verzerrten Mäulern ist wirklich dazu angetan, den Appetit des unerschrockensten Feinschmeckers lahmzulegen.“ 1)
Tut sie doch weg!
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1) Grimod de la Reyniêre, Grundzüge des gastronomischen Anstandes.