… sagte das kleine grüne Männchen, das gerade mit seiner putzigen Untertasse vor mir auf der Arbeitsplatte aufgedotzt war. Er schüttelte sich kurz, zückte so etwas wie ein kleines Notizbuch und fragte mit strengem Blick: „Was machst’n du da?“
„Ich koche“, sagte ich, aber „Papperlapapp!“, erregte er sich sofort, „kochen kenn ich: Erdisch-Lektion 1; Wasser, blubbern, 100°C (nicht zu verwechseln mit Réaumur). Und? Blubbert hier was? Da wird noch nicht mal was erwärmt! Also, was machst’n du da?“
„Okay, du hast Recht. Ich bereite das Kochen vor.“
„Zu!“ rief er, fast erbost. „Zu-bereiten heißt das! Menschen bereiten das Essen zu, nicht vor!“
„Nein, mein Kleiner, da hättest du vielleicht besser nicht ab Lektion 2 schwänzen sollen. Die Vorbereitung ist nämlich die Königsdisziplin in der Küche, die Zubereitung ist dann ein Klacks – fast wie Dose öffnen, Ravioli erwärmen, fertig! Erbärmlich! Nur durch eine ordentliche Vorbereitung, das Zurechtlegen von Schneidebrett, scharfem Messer, Zutaten, Salz, Pfeffer, Knoblauch, Zwiebeln, nur wenn das alles akkurat rechtwinklig vor dir griffbereit liegt, jedes an seinem Platz, nur dann kann der Koch den Grad an Konzentration erreichen, der unabdingbar ist, um aus unscheinbaren Pflanzen zusammen mit etwas Inspiration und zwei oder drei sparsam dosierten Gewürzen ein Fest für Zunge und Gaumen zu arrangieren, auf dem die Sinne tanzen und springen und vor lauter Tollheit fast platzen. Sagt dir der Begriff <Mis en Place> etwas?“
„Misso-Blass? Nie gehört, komm erzähl schon, ich hab nicht viel Zeit.“
„Nicht viel Zeit? Vergiss es! Such dir was anderes zum Studieren! Brunoise hätt ich auch sagen können. Sagt dir Brunoise was? Das ist klitzeklitzeklein gefitzeltes Irgendwas, egal was. In der feinen Küche gibt’s es nicht mal ein Butterbrot ohne Brunoise. Weil der Koch sonst gar nicht in die Gänge kommt …“
„Meine Güte, hör auf“, sagte das kleine grüne Männchen, „ich kann hier nicht ewig rumsitzen. Was willst du denn jetzt häckseln, sag schon.“
„Ja, weißt du, da ich heute alleine bin, dachte ich an Pasta. Ziemlich puristisch, ein wenig Olivenöl, etwas Knoblauch und ein paar angeglänzte Tomatenwürfelchen, Salz, Pfeffer, ein klein wenig Oregano und ein Glas Wein.“
„Und was erzählst du mir dann stundenlang von Misso-Blass und Brüno-Dings? Das kannst du doch alles in die Pfanne hauen, ein paar Spaghetti drüberkippen und gut is?“
„Oh je, Außerirdischer, du musst noch viel lernen! Schau mal, das Olivenöl. Ganz hinten im Schrank, gut versteckt, steht ein ganz kleines Fläschchen mit nur noch wenigen Tropfen ausgesuchter Flüssigkeit, die nicht in falsche Hände kommen darf. Es könnte böse Folgen haben! Stell dir vor, ich würde aus lauter Hektik die falsche Flasche nehmen und etwa zum Frittieröl greifen – unvorstellbar, der Abend wäre gelaufen! Also muss ich zuerst das Fläschchen suchen, vorsichtig schnuppern und dann andächtig zur Anrichte tragen, vielleicht nochmal kurz kontrollieren, ob nicht vielleicht heute Abend doch das leicht fruchtige Öl vorzuziehen wäre. Das will nicht überstürzt entschieden werden. Und dann der Knoblauch …“
„Knoblauch-Fresse!“ schrie der Kleine, stolz auf seine Vokabelkenntnisse dazwischen, „Knoblauch-Fresse!“
„Um Gottes Willen! Schweige, Grüngestreifter, sofort! Erstens heißt das „Knoblauch-Presse“ und zweitens: Vergiss es, sofort! Niemals, hörst du, niemals sollst du eine Knoblauchzehe durch solch ein Folterinstrument quälen, niemals nie! Wähle dir, wie ich es tue, ein glattes scharfes Messer und hoble feine Späne. Vergiss nicht dabei wohlig einzuatmen, denn dieser Geruch, den du jetzt wahrnimmst, wird nur noch übertroffen von dem, der entsteht, wenn diese Scheibchen kurze Zeit später im heißen Öl baden und golden-kross, aber Vorsicht: nicht zu dunkelwerden lassen, durch die Pfanne schwimmen. Und vergiss bitte nicht zu schnuppern!“
„Joyjoyjoy“, winselte der nichtswissende Grünling, „jetzt mach endlich die Tomatendose auf!“
„Ich fass es nicht, Tomatendose! Schon richtig, Kleiner, es gibt Zeiten in denen man zur Konserve greifen muss, wenn man nicht in tiefe Depression verfallen will. Aber doch nicht jetzt! Schau hier: die zwei letzten Tomaten aus dem Garten, vollgesogen mit der Kraft der Sonne, aromasatt und griffbereit, gewaschen, getrocknet, des öfteren liebkost. Die gilt es jetzt zu schälen, Gallert und Kerne zu entfernen und die Filets in kleine Würfelchen zu zerteilen. Bitte störe mich jetzt nicht. Wenn auch nur zwei Würfelchen nicht exakt die gleiche Kantenlänge hätten, würden wir die Komposition stören – schau mal bei Robert im Blog vorbei, der kann das!“
„Eigentlich hab ich’s ja fürchterlich eilig, aber sag mal, könntest du vielleicht ein oder zwei Spaghetti mehr in den Topf werfen, dann könnte ich mitessen?“
„Natürlich! Wenn ich gewusst hätte, dass Gäste kommen, hätte ich die Spaghetti selbst gemacht, aber sei’s drum – setzt dich hier auf den Tisch. Magst du ein Glas Wein? Eigentlich würde ein Roter besser passen, aber heute Morgen habe ich im Keller unverhofft eine Flasche Riesling von Fritz Haag entdeckt, der wird auch gehen.“
„Hmmh“ murmelte er nach einer Weile, „kann ich noch einen Tropfen von dem Öl? Dieses Misso-Blass muss ich mir notieren. Warum hast du bisher diese kleingewürfelte Chilischote nicht erwähnt, die passt gut.“
„Auch aus dem Garten. Erstaunlich mit so wenig Sonne dieses Jahr, nicht? Nun ja, ich dachte ja nicht, dass du hier bist, um Rezepte zu sammeln. Apropos: warum bist du eigentlich hier?“
„Na ja“ sagte er und nippte vom Riesling, „eigentlich steht ihr ja schon seit zwei-, dreihundert Jahren auf unserer Liste. Wir sammeln Kulturen, aber da ward ihr halt nie so ganz hohe Priorität. Jetzt müssen wir uns aber ein bisschen ranhalten.“
„Ranhalten? Warum denn das?“
„Was weiß ich. Eine Biene, Maja oder so ähnlich, hat ihren Kalender verloren, und ist wohl so sauer, dass sie euren Erdhaufen pulverisieren will. Wird höheren Orts ziemlich heiß gehandelt. Bis 21.12. haben wir noch Zeit, ein paar Informationen zu sammeln. Ich muss dann mal los.“
„Das glaubst du doch selbst nicht, oder?“
„Ich weiß nicht. Aber mach dir keine Sorgen. Über Brüno-Nass und Misso-Blass muss ich mehr wissen.“ Er hielt mir sein Patschehändchen hin und sagte: „Ich hol dich hier raus. Schlag ein.“
„Abgemacht.“
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Ach ja, Küchenschabe, als Antwort-Kommentar wär’s ein bisschen lang geworden.
Anthony Bourdain sagte mal „ich weiß nicht, was es ist, das aus einer Knoblauchpresse raus kommt, aber Knoblauch ist es nicht!“
Ich hoffe, du hast das aufsässige Zimperlieschen verkocht 🙂
Und wenn dich der Außerirdische rausholt, vergiss das Handtuch nicht 😉
Das Zimperlieschen war im Salat und im Ofen und in der Sauce. Und keines hat ihm geschadet. Ist vielleicht wie im richtigen Leben: ein bisschen Aufsässigkeit würzt offensichtlich ganz gut.
Danke für den Tip. Ein Handtuch hab ich jetzt bereitliegen.