Autsch!

Angenommen, ich wäre ein Huhn … Nein, so geht das nicht, also nochmal vorn:

Angenommen, es gäbe eine Maschine, die aus Körnern, Würmern und Gras Frühstückseier produzieren könnte, was wäre das für ein Geschäft (und was für eine lohnende Geldanlage)! Ich wär sofort dabei. Und ich würde auch sofort auf den Zug aufspringen, wenn es eine Maschine gäbe, die aus Gras, Stroh und Billigweizen fettige, sahnige Milch machen könnte. Oder eine andere, die aus allerlei Abfall allerlei Schweinebraten herstellen würde.

Genug geträumt, denn all das gibt es ja längst. Meistens ziemlich effektiv, oft mit ansprechendem Design, zum Beispiel flauschig gelb bis fedrig-weiß die einen, rosa ferkelig die anderen oder auch braun bis gefleckt mit großen Augen und Gleichmut im Blick.

Wir dürfen sie halt nicht „Maschinen“ nennen, sondern müssen „Tiere“ sagen – mit allen unangenehmen Folgen, die sich daraus ergeben. Obwohl wir sie ja „gemacht“ haben, so wie sie jetzt sind. Und der große Kreator würde bestimmt die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn ich ein so weltliches Bild einmal benutzen darf, zusammenschlagen über den nach vorne kippenden Truthähnen, die sich nicht mehr selbst vermehren können oder über den laufenden Eutern. Nein, dieses Bild stimmt auch nicht, das Wort laufen sollte man da wohl nicht leichtfertig benutzen.

Aber effektiv sind sie schon diese Maschinen, und klug geplant und sorgfältig umgesetzt und picobello sauber und hygienisch. Wenn sie nur nicht so eine verdammte Ähnlichkeit mit Küken und Ferkeln und Kälbchen hätten.

Denn schon kommen die um die Ecke, die die Maschinen mit Tieren verwechseln und schreien: „Stopp dem Hühnermord!“ und „Grausam!“ und „Wahlrecht für Erdbeeren!“, bloß weil man ein paar Maschinen ein paar Federn wegoptimiert hat und die anderen zwecks Arbeitserleichterung von ihrem Ringelschwänzchen befreit hat und Erdbeeren doch auch arme Schlucker sind.

Aber mal ehrlich: Es gibt kaum noch Kinder, die für Cowboy-und-Indianer Hühnerfedern brauchen, und wenn dann will keiner der Indianer sein. Und welcher Mensch will schon ein Ringelschwänzchen haben. Und die Erdbeeren sollen erst mal wie Erdbeeren schmecken, dann können wir auch übers Wahlrecht reden – zumindest in Italien.

Aber NEIN: ich will mir keine Feinde machen und ich bin ja auch empfindlich. Und auch ich hab bei Bambi geweint.

Und so ging es bestimmt vor ein paar Jahren auch Adam Shriver, einem amerikanischen Philosophen. Und so ein Philosoph hat natürlich ganz andere Möglichkeiten als unsereins, wenn er denkt: „Das tut denen doch weh!“ Ich wäre als Philosoph erst mal auf die Idee gekommen, zu behaupten, dass es gar nicht weh tut, weil nur Menschen Leid empfinden können oder so ähnlich. Aber Herr Shriver wusste, dass er damit nicht sehr weit kommen würde. Als moderner Philosoph hat er natürlich nicht nur die alten Schinken gelesen, sondern nebenbei auch ein bisschen Neurologie gehört und auch gleich einen bahnbrechenden Artikel in der Zeitschrift Neuroethics verfasst: „Knocking out pain in livestock: Can technology succeed where morality has stalled?“ und behauptet: „I argue that there may be a technological solution to the problem of animal suffering in intense factory farming operations.“ (- Ich vertrete die Auffassung, dass es eine technologische Lösung für das Problem des Leidens von Tieren in intensiver Haltung geben kann –) Kürzer und etwas leichter zu lesen in einem Artikel der New York Times: „Not Grass-Fed, but at Least Pain-Free„)

Mal abgesehen davon, dass Philosophen gerne geschwollen von Dingen daherreden, von denen sie möglichst wenig verstehen, ist sein Idee bestechend. Ich fasse mal grob zusammen:

Das Gehirn von Säugetieren, so hat er irgendwo gelesen, hat zwei verschiedene Mechanismen entwickelt, Schmerz wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Der eine ist zuständig für die Ortung des Schmerzes, die Stelle, die Qualität und die Intensität. Und der andere stellt fest, ob das lustig ist („senses the pain’s unpleasantness“). Am ersten, schlägt er vor, solle man besser nicht rumpfuschen. Denn dann würde z. B. eine Ratte, die auf eine heiße Herdplatte latscht, den Fuß nicht zurückziehen – mit nachvollziehbaren Folgen. Der andere allerdings sei wunderbar geeignet, ausgeschaltet zu werden; man müsse nur eine Protein entfernen und: Schwupps! Die Ratte zieht den Fuß zurück und lächelt!

Ich bin mir mit Herrn Shriver einig, dass das toll wäre und dass das klappen wird – auch bei Schweinen, Gänsen und Kühen. Die kriegen das hin, die Neurologen und Gen-Forscher! Durchhalten ihr armen Schweine, bald tut’s nicht mehr weh!

Ein wenig nachdenklich macht mich nur, dass andere Rezipienten (z.B. in der bild der wissenschaft) nicht so euphorisch reagieren wie wir. Vielleicht sind wir unserer Zeit einfach voraus und müssen noch ein bisschen abwarten …