Hoffnung

Ich muss vielleicht vorwegschicken, dass mein Verhältnis zu allium ursinum, umgangssprachlich auch Bärlauch, nicht ungetrübt ist. Vorsichtig eingesetzt mag er ja das eine oder andere Gericht vorteilhaft ergänzen. Die Betonung läge dabei aber eindeutig auf „vorsichtig“. Und davon ist die Realität leider weit entfernt.

Bärlauch (oder Rams) war über Jahrhunderte hinweg halt eine dieser Pflanzen, die der liebe Gott wachsen ließ. Und das zu einer Zeit, wo er wenig anderes wachsen ließ und wo man nach einem langen Winter einfach alles essen musste, was grün war und umsonst. Und wenn es nichts anderes gibt, dann bedient man sich halt – im Wald oder im Garten. Immerhin wächst er, wenn er wächst, wie blöde. Ihm im Garten ein Beet zuweisen zu wollen, ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt.

Bald kamen auch Bader und Quacksalber daher, die versicherten, dass mit allium ursinum das Leiden ein Ende habe: „Er desinfiziert und heilt Wunden, reinigt Nieren und Blase, entgiftet den Körper, lindert Husten, Erkältungen, Prostatabeschwerden, Hautleiden und Rheuma.“ (Astrid Skrypzak rückblickend in einer Magisterarbeit). Dies ist bei einem Lebensmittel normalerweise ein deutliches Anzeichen dafür, dass der Geschmack – nun ja, nicht ganz zu überzeugen weiß. Und um der Wahrheit die Ehre zu geben, trifft das ja auf den Bärlauch letztendlich auch zu. Wie es ein amerikanischer Siedler ausdrückte: „There is a great deal of disagreement as of their tastiness.“

Immerhin ist es durch die Stallhaltung etwas aus der Mode gekommen, Rinder in blühenden Bärlauch grasen zu lassen. Fast alle Völker waren sich der Gefahr des milchverderbenden Geruchs bewusst, nur in Norwegen sagte man, wenn das Vieh eine gute Weide hatte, es fresse Rams, befinde sich wohl dabei und werde fett. De gustibus non est disputandum.

Der Legende nach war der Auslöser des Bärlauch-Hypes ja Eckhart Witzigmann, der auf dem Weg zur Arbeit durch den Englischen Garten musste und dabei auf dieses merkwürdig riechende Kraut stieß. Auch große Meister sind nicht unfehlbar, ich will aber zu seinen Gunsten mal annehmen, dass er dieses Übermaß, diesen Wahnsinn, dieses vollständig aus dem Ruder gelaufene Suppen-Saucen-Risotto-Desaster nicht gewollt hat.

Ich auf jeden Fall werde die nächsten paar Wochen öffentliche Speiselokale meiden, alle Foodblogs temporär aus dem Feedreader entfernen und dem Bärlauch penibelst aus dem Weg gehen, es sei denn der Wind dreht auf NO, weil er mir dann aus Nachbars Garten ein paar Schwaden dieses lieblichen Duftes herüberweht.

Aber – der Post-Titel ist ja nicht einfach so entstanden – es gibt Hoffnung. Ich habe mal mit Google Ngrams ermittelt, wie oft im letzten Jahrhundert das Wort „Bärlauch“ in (von Google Books erfassten) deutschsprachigen Büchern auftauchte:

ngrams

Die Abfrage könnte natürlich verfeinert und der Korpus besser gewählt werden, aber ich möchte dann doch die Aufmerksamkeit des geschätzten Lesers der geschätzten Leserschaft auf den kleinen aber bemerkenswerten Knick in der „Bärlauch-Kurve“ richten. Der Trend zeigt nach unten, das Ende der Leiden ist nah!