Rezension: Das Siebte

Angeregt durch die Buchmesse bin ich wieder mal aufmerksam geworden auf die journalistische Form der Rezension. Sie erfordert ein nicht unbeträchtliches Maß an Selbstbewusstsein auf Seiten des Rezensenten und jagt dem Rezensierten seit jeher Angst und Schrecken ein, man denke nur an Martin Walser und Marcel Reich. Eigentlich wie geschaffen für meinen Blog.

Erstaunlich ist allerdings, dass sich dieses Format in Bloggerkreisen nie richtig durchsetzen konnte, wenn man mal von einsilbigen Rezensionen (“Yummie!”) im Kommentarbereich absieht, die allein schon wegen ihrer Kürze selten zu lebenslangen Fehden ausarten. Ich finde das schade und fange jetzt einfach mal an. So ganz ohne Vorlage ist das natürlich schwer, deshalb sollte man sich, wenn man Neuland betritt, zuerst einmal ein Gerüst zulegen. Und weil ich oft Küchenblogs lese, habe ich mich entschieden für: Lesen – Kochen – Essen – Fazit. Also los …

Rezension

Die Küchenschabe: Das Siebte. Blogspot 2013/10.

Lesen

Die junge Autorin, die sich hinter einem Pseudonym verbirgt, schreibt seit Juli 2011 und hat seither 334 mehr oder weniger kurze Geschichten veröffentlicht. Dass aber auch die Kurzgeschichte durchaus ihre Qualitäten haben, zeigt ja die diesjährige Entscheidung der Nobelpreis-Richter. Und die Autorin hat schon mit ihrem Erstlingswerk genügend Selbstbewusstsein bewiesen. Nannte sie das doch nonchalant “Das perfekte Steak” und deutete mit der Beilage “kleingehackte Pommes” auch ihren Hang zum Abwegigen an.

Ihr Stil hat sich über die Jahre kaum verändert; sie neigt ein wenig zur Besserwisserei, schafft es aber durchaus, das dem Leser als Expertentum zu verkaufen. Und wenig bis nichts schätzt ein Kochblog-Leser mehr, als echte Tipps von echten Experten. Gleichfalls zu loben ist die stets akkurate Auflistung aller Zutaten, ein Stilelement, das in Romanen oft fehlt und dann vom Leser schmerzlich vermisst wird. Und sie sorgt in lobenswerter Weise für Abwechslung, um den geschätzten Leser nicht über Gebühr zu langweilen. So ist der Mürbteig mal simpel aus Mehl, mal benutzt sie Typ 480, mal feingriffig, mal gemischt, mal mit mal ohne Ei, manchmal gar mit Sauerrahm oder – wenn sie es gut meint – mit einer Prise Zimt oder einem Löffel Rum. Schön.

Nach über 300 wohlgeratenen Veröffentlichungen darf der Rezensent allerdings auch mal etwas strengere Maßstäbe anlegen. Bei dem hier besprochenen Werk “Das Siebte” hätte man gut gerne mit einem Wortspiel rechnen können. Das (ge-)Sieb(-te). Verstanden? Kochblog – Küchenutensil – lustig. Aber dann stellt man am Ende der Lektüre verdutzt fest, dass weit und breit kein Sieb vorkommt und sogar der Puderzucker “gestreut” wird – Chance verpasst. Und dies zumal die Autorin dazu durchaus in der Lage ist, wie der bahnbrechende Titel “Bio-Schwein: Grob aber fein” Ende 2011 gezeigt hat.

Zu loben ist allerdings, dass es alle ihre Werke auch für unterwegs gibt, so dass man nach der U-Bahn-Lektüre sofort nicht nur Appetit, sondern auch gleich die Zutaten-Liste griffbereit hat.

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Kochen (also Backen)

5 kleine Äpfel stehen da auf der Zutatenliste, was bei einem Apfelkuchen nicht sonderlich verwundern mag, aber deshalb spannend ist, weil ich – wenn ich dieses Jahr irgendwas habe – auf jeden Fall kleine Äpfel habe; mit der Betonung auf klein. Als ich also im Morgengrauen mit dem Apfelpflücker bewaffnet durch den taufeuchten Garten schlich und mit 5 fünf frisch gepflückten kleinen Äpfeln wieder in der Küche stand, musste ich feststellen, dass eines meiner Äpfelchen gerade mal 80 Gramm wog, Frau Küchenschabe aber den Hinweis “á etwa 150 g” angebracht fand. Während ich also den Apfelpflücker erneut schulterte, ging mir durch den Sinn, dass ein kleiner Zusatz wie “oder 8 sehr kleine Äpfelchen, aber das hängt auch wenig von Ihrer Backform ab” nicht geschadet hätte – da hat der Lektor wohl geschlampt.

Weiterhin war ich etwas verwirrt, als ich der Anweisung “die Grießmasse und die Limettenschale mit einem Schneebesen unterrühren, sodass keine Bröckchen mehr zu sehen sind” zu folgen versuchte. Man mag der Autorin zugutehalten, dass in Österreich ein Schneebesen – wie so vieles – etwas völlig anderes bedeutet als bei uns und vielleicht sogar vor Gebrauch erst aus der Garage geholt werden muss, aber mir scheint es menschenunmöglich, mit einem Schneebesen aus hartem Grießbrei und schaumiger Ei-Creme irgendetwas Klumpenfreies zusammen zu rühren. Das weckt den Verdacht, dass die Autorin das Rezept nie wirklich umzusetzen versucht und die Beweis-Bilder irgendwo ausgeschnitten hat. Oder sie hat – wie ich – den Elektroquirl benutzt.

Für einen skandalösen Umgang mit dem Begriff “Nachhaltigkeit” zeugt die Zutatenliste. Da wird für die Äpfel der Saft einer halben Zitrone und für den Teig die Schale einer Bio-Limette verwendet. Mit dem Ergebnis, dass anschließend eine halbe Zitrone und eine abgeriebene Limette rumliegen. Hätte man sich da nicht ein wenig mehr einfallen lassen können? Ein frappierendes Beispiel für den sorglosen Umgang mit Lebensmitteln in dieser unserer modernen Welt!

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Essen

Bei der Zubereitung ging mir hin und wieder die Frage durch den Kopf, ob man einen gebackenen Grießbrei als Teig bezeichnen kann und wieso der bisher an mir vorbeigegangen ist. Deshalb war ich nicht wenig auf das Ergebnis gespannt. Die Autorin hat ja des Öfteren ihren Hang zur Ungeduld offenbart. Dennoch bin ich ihrem Vorschlag gefolgt, den Kuchen “noch lauwarm” anzuschneiden und zu genießen. Vielleicht war ich noch ungeduldiger, aber das erste Stück konnte man kaum als Stück bezeichnen und es konnte seinen großen Bruder Grießbrei nicht verleugnen. Nur eine knappe halbe Stunde später allerdings änderte sich das und – der “Teig” ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber durch die Kombination mit Kardamom und Mandeln recht delikat.

Fazit

Man wird von dieser Autorin noch einiges erwarten dürfen. Die Doppeldeutigkeit dieser Aussage ist durch beabsichtigt. Sie gibt Anlass zur Hoffnung auf viele neue Geschichten rund um ihr Insektendasein in ihrem angestammten Habitat, kann sich aber auch noch steigern – sowohl bei ihrer fatalen Neigung, die Chance auf Wortspiele fahrlässig zu ignorieren, als auch bei ihrer ab und an zu beobachtenden Sorglosigkeit bei Zutaten-Listen und Handlungsanweisungen. Sie sollte sich durch ihren Erfolg nicht – um einen bekannten bayrischen Philosophen zu bemühen – verleiten lassen, sich in der Komfort-Zone einzurichten.

3 Gedanken zu „Rezension: Das Siebte“

  1. Seit Martin Walser weiß man, dass es gar nicht so einfach ist, sich bei einem Rezensenten zu bedanken. Dennoch: Du hast es geschafft, den siebten Zwerg von links wie das gesiebte Gold zu behandeln!
    Wer zu Recht moniert, dass der Schneebesen zur Unzeit ausgepackt wurde, ist noch lange kein Seicherl 😉 …

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  2. Aha, wie man nachträglich sieht, nicht nur eine Chance verpasst (besonders gefällt mir das Seicherl, ein Wortspiel für Eingeweihte).
    Herr Walser hat das doch erst posthum versucht, oder? Vielleicht hast du mehr Glück…

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