Zu wenig oder zu viel?

Ich esse zu wenig. Nicht dass ich abgemagert wäre, im Gegenteil. Es gibt sogar mahnende Stimmen aus dem medizinischen Bereich, die zu leichterer Kost und – völlig unvorstellbar – zu sportlicher Betätigung raten. Aber was haben die schon für eine Ahnung von der Last des Lebens, die ein dürrer Klepper niemals bewältigen könnte.

Nein, ich esse eindeutig zu wenig. Denn es ist ja so:

  • Zum Frühstück gibt es ein Marmeladebrot
  • Das 9-Uhr-Vesper (“zNüni”) ist – gestrichen
  • Das Mittagessen fällt meistens aus oder besteht aus einem Apfel
  • Die Kaffee-Tafel hat irgendwie die Schwindsucht befallen
  • Den Fünf-Uhr-Tee gab es bei uns nie
  • Nur das Abendessen findet statt
  • Beim Mitternachtssnack schlafe ich meist schon

Bleibt also mehr oder weniger eine ordentliche Mahlzeit am Tag. Das sind 365 Mahlzeiten im Jahr. Lasst mich großzügig aufrunden und 400 sagen – es gibt ja Weihnachten und die Martinsgans und Familienfeste und all so was. Aber ich kann rechnen, wie ich will, das reicht nicht.

Denn es ist ja auch so:

  • Es gibt etwa 543.829 deutschsprachige Food-Blogs, und
  • Ungefähr 210.765 Kochzeitschriften, und
  • Circa 135.914 Kochbücher (ohne alle die, die “regional” im Titel haben)

Bleiben wir der Einfachheit halber einmal bei den Blogs. Die Anzahl mag zu hoch sein – ich habe da ein wenig den Überblick verloren, aber weit daneben kann sie eigentlich nicht sein. Im Durchschnitt erscheinen auf einem Blog zwei bis drei Beiträge pro Woche. Das wären dann etwa 543.829 x 52 x 2.5 = 70.697.770 Posts pro Jahr. Das ist ziemlich weit von meinen 400 entfernt.

Gut, ihr habt Recht: bei etwa einem Dritteln der Posts gibt es gar keine Rezepte, sondern irgendjemand ist auf irgendeinem Event und isst argentinisches Rindfleisch und trinkt japanisches Wasser. Bleiben also schlappe 47.131.846 Beiträge (die 0,666666666666666666666667 lass ich jetzt einfach mal weg).

Ja, ihr habt schon wieder Recht: zwei weitere Drittel stehen explizit und implizit unter der Rubrik “Nachgekocht”, auch wenn man jede Dublette eigentlich genauer untersuchen müsste, geschenkt – es bleiben immer noch 15.710.615 und ich bin auch damit deprimierend weit vom Ziel entfernt.

Ich muss definitiv mehr essen. Tim Raue zum Beispiel sagt im SZ-Interview: “Neulich war ich sogar nur für einen Abend in London und habe mich durch vier asiatische Ein-Stern-Restaurants gefuttert. Das war schon ein bisschen irre, aber essen gehört eben zu meinem Beruf.” Der Mann sollte mir Vorbild sein. Geteilt durch vier, dann bleiben noch 3.927.653,75 – läppisch, das müsste ich schaffen.

Als erste Maßnahme habe ich jetzt erst einmal meine Blogroll drastisch ausgedünnt. Natürlich ist mir klar, dass das zwar beruhigt, aber doch letztlich nichts nützt. Ich habe doch solche Angst, dass ich was verpasse. Kürzlich habe ich bei YouTube aus Versehen auf Antonin Dvořák’s Cellokonzert gedrückt: Ich wusste gar nicht, dass das so wunderschön ist. Wenn mir das bei einem Rezept passieren würde…

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