Ein ganzer Kühlschrank voller Gläschen. Roggen (TA200), Weizen flüssig (TA200), Weizen fest (TA250). Es gibt Leute, die behaupten, man müsse jedes dieser Gläschen zwei bis drei Mal pro Woche (oder öfter) „füttern“. Das tu ich natürlich nicht. Ich backe (im Vergleich zum Backshop um die Ecke) auch relativ wenig. Weshalb sich alle Gläschen – die übrigens alle keinen Namen haben – ständig in der Todeszone befinden. Und immer hektisch wieder aufgepäppelt werden müssen. Sie haben zwar keinen Namen, gehören aber doch irgendwie zur Familie.
Und dann hab ich wieder leere Gläschen und alte Gläschen und volle Gläschen. Und wie’s der Teufel will, backe ich dann Pizza. Wobei ich aber bislang kein Sauerteig-Pizza-Rezept kenne, das an gute Hefe-Rezepte heranreicht. Oder Brezen. Gibt es überhaupt ein Sauerteig-Brezen-Rezept? Also kaufe ich Hefe. 42 Gramm. Auch die landet im Kühlschrank. Davon brauche ich vielleicht grade mal vier Gramm. Bis ich das nächste mal Brezen backe, kann natürlich von „frisch“ keine Rede mehr sein. Dann werfe ich die alte Hefe weg und kaufe wieder 42 Gramm. Das ist für einen Schwaben natürlich ziemlich schwer.
Jahrelang habe ich kein Baguette gebacken, weil man mir eingeredet hat, dass das nur mit französischem Mehl (T65) geht, und der Teig nur von Profis verarbeitet werden kann (zu weich), und man einen zweiwöchigen Kurs buchen muss, um das Formen zu lernen, und am besten sollte man sich noch ein Baguette-Blech kaufen (hier wäre dann der Affiliate Link). Das ist natürlich alles Quatsch. Aber die Hefe war schon wieder – äh – unfrisch.
Also wieder 42 g in den Einkaufskorb. Das Ergebnis mit norddeutschem Weizenmehl, ohne Kurs und ohne Spezialblech: Ähm, ja. Aber besser als alles, was es im Umkreis von 50 km an Weißbrot so gibt. Nur die Hefe. Ich will nicht immer Hefe kaufen müssen. Das nächste Rezept auch mit Hefe, aber immerhin mit 0,25 g Anstellgut. Toll.
Und dann heute. Mein zukünftiges Lieblings-Baguette. Keine Hefe. Nur Sauerteig. Nicht ohne Aufwand, aber man hat ja sonst nichts zu tun. Krachende Kruste, lockere Krume und tatsächlich am nächsten Tag noch lecker (die Kruste lässt natürlich nach, aber aufbacken hilft).
Und jetzt, auf der Terrasse, beim Blick auf mein Sandwich und das Hefe-Weißbier denke ich: Hefewasser. Vielleicht wär Hefewasser eine Lösung. Aber das müsste ich ja auch füttern – noch ein „Gläschen“, och nöö. Ich probier es einfach mal mit Weißbier. Der Alkohol verfliegt beim Backen und übrig bleibt: Hefewasser! Wieviel Milliliter Radler brauch ich wohl pro 1 mg Hefe?
Ich geh jetzt erst nochmal Hefe kaufen. Morgen gibt es – typisch norddeutsch – Brezen zu Weißwürsten mit süßem Senf und Weißbier (vorläufig noch nicht im Teig, sondern im Glas).
…aber man kann ja Hefe auch einfrieren (bis zu einem halben Jahr ohne Qualitäts-Verlust). Und Hefe, ja Hefe, gibt halt Sicherheit. Grade wenn der heißgeliebte Sauerteig schwächelt, oder man ihm momentan nicht so recht traut…
Aber wer „ein Händchen hat“ und tausendfachgefütterten Sauerteig, der sucht halt und findet…
Früher dachte ich ja, dass das Bäckerhandwerk etwas für Leute ist, die recht tumb einfach jeden Tag früh aufstehen, allein durch Armkraft Unmengen von weichem Teig mühsam in Form bringen und mittags todmüde ins Bett fallen, weil sie ja am nächsten Tag wieder sehrsehr früh…
Aber es ist eine Kunst, eine hohe Kunst. (Sonst gäbe es ja haufenweise gute Bäckereien). Eine Kunst ist es jedenfalls, mit und ohne Hefe!
Mich wundert im Gegenteil eigentlich immer, mit wie wenig Aufwand man recht ansprechende Ergebnisse erzielen kann. Um wie viel einfacher müsste das für einen Profi sein. Aber das Lieblingsbrot des Kunden ist: Toastbrot! Vielleicht erklärt das einiges.
Zu lustig, obwohl ich regelmässig Brot backe, kenne ich das mit der Hefe und dem Anstellgut kurz vorm Verenden nur zu gut 😀 Aber das Baguette klingt gut, das wird mal probiert.
Bitte verzeih die laienhafte Frage, bekanntlich backe ich ja nicht, niemals(!), und habe daher keine Ahnung: Ist Trockenhefe keine Alternative?
Ich esse sehr wenig Brot, für mich lohnt sich kaum der Kauf. Aber wenn, dann vom Pankratiushof in Mainz, die backen auch ihr Baguette mit Sauerteig, einem zwanzig Jahre alten, den der Juniorchef von seiner Zeit im Frantzén mitgebracht hat, der Teig war ein Abschiedsgeschenk. Sie backen die Brote, die Croissants damit und ich glaube sogar die Brioche.
Falls es Dich also mal nach Mainz verschlägt, da musst Du hin!
https://www.pankratiushof.de/
und
https://the-frankfurter.com/artikel/restaurant-pankratz.html
Ähm, Jetzt kommt der „Experte“ in mir: Ich habe keine Ahnung, warum ich Trockenhefe nicht mag. Ich kenne auch von den richtigen Experten (die sie auch alle nicht benutzen) keine richtig guten Argumente. Ich glaube, das macht „man“ einfach nicht. Punkt. Man benutzt ja auch beim Kochen kein Salz, sondern Meersalz oder Fleur de Sel oder andere abgefahrene Dinger…
Sauerteig allerdings benutze ich, wenn es irgendwie geht. Weil es schmeckt, den Geschmack hebt und die Haltbarkeit verlängert,
[Kein oder wenig Brot zu essen kann ich mir übrigens gar nicht vorstellen, wie machst Du das? Kein krachendes Baguette mit gesalzener Butter und saftigem Schinken? – ich könnt schon wieder!]