Am Wochenende gab es mal wieder „keine Lammkeule“. Was nicht ungewöhnlich ist, denn so etwas gibt es bei uns öfter. Weil es aber keinen Spaß macht, immer das Gleiche nicht zu kochen, habe ich mich kurzerhand ins Auto gesetzt und einen kleinen Ausflug zum Heidemetzger gemacht: Heidschnucke kaufen. Das ist saisonal und regional und Bio- schließlich koche ich ja immer mit dem Blog im Hinterkopf.
Das Problem bei der regionalen Küche ist nun allerdings: die Region. Wenn die Region nicht, sagen wir mal „Europa“ ist, dann kommt es auf die Größe der Region an. Also wie viele Menschen da leben. Erfahrungsgemäß ist es nämlich so: je weniger Menschen, umso weniger Blogger, umso weniger Rezepte, oder kennt jemand noch andere Rezeptquellen? Nur mal ein Beispiel: Ich lese manchmal einen Blog, in dem grundsätzlich „Sbrinz“ verwendet wird, wo unsereiner schnöden Parmesan reinhobeln würde. Das will ich natürlich auch. Lebe aber in der falschen Region. Mein (sehr ordentlicher) „Maitre de Fromage“ zeigt mir mit ausgebreiteten Armen, wie groß so ein Sbrinz-Laib ist. Und zeigt mir dann mit tränenden Augen, wie groß sein Kundenkreis ist. Soviel zur Region.
Aber zurück in die Lüneburger Heide, die es ohne die Heidschnucke nicht (mehr) gäbe. Denn außer dieser alten, anspruchslosen Rasse (vorwiegend die „Graue Gehörnte Heidschnucke“) traut sich kaum ein Lebewesen in dieses Gebiet. Und wer würde dann das Heidekraut verbeißen, den Baumbewuchs kleinhalten und die Spinnennetze zerstören, in denen die armen Honigbienen immer so erbärmlich verenden, bevor sie den guten Heidehonig zuhause abgeliefert haben? Man sollte also denken, dass hier die Metzgereien und Fleischabteilungen mit Schnuckenbraten überquellen. Aber weit gefehlt: man setzt es, wenn’s hoch kommt, den Touristen als Spezialität vor und isst Schweinebraten.
Vielleicht liegt es an der Region: Wenige Menschen, noch weniger Blogger, keine Rezepte (zumindest nicht mit der Suche bei Fool for Food und nicht nennenswert bei Man kann’s essen). Aber Frau T. bestand ohnehin auf eine Zubereitung „ohne Spirenzchen“, um dem unverfälschten Geschmack nachzuspüren. Die Wahl fiel auf „Kräuter-Lammkeule aus dem Ofen “ auf Küchenlatein.
Das Ergebnis: das Fleisch war mager, zart, dunkel und butterweich. Und – siehe Titel – keine Lammkeule. Wem Lamm zu sehr nach Lamm schmeckt und noch nicht vollständig auf die OttoLenghi-Seite gerutscht ist, sollte das mal probieren: delikat; der oft erwähnte Wildgeschmack ist auch nur sehr dezent. Mein Heidemetzger meint natürlich, das läge an der Region, also am Futter, und lächelt nur milde, als ich ihm erzähle, dass ich jetzt mal eine Schulter beim Verein der Schweizer Heidschnuckenhalter bestellen wolle, um zu sehen, wie das mit saftigem Almgras anstatt dürrem Heidekraut schmeckt.
Anmerkung 1: Ulrike von Küchenlatein macht zur Lammkeule eine für mich neue Kartoffelzubereitung, die mich sehr begeistert hat: erst mit Knoblauch anbraten, dann in wenig Gemüsebrühe gar dünsten – lecker. Das mag an den guten Heidekartoffeln gelegen haben, ich glaube aber, dass man damit auch süddeutsche Hungerknollen aufpeppen kann.
Anmerkung 2: Wenn man hier in der Heide herumirrt, um Heidschnuckenfleisch zu finden, dann landet man natürlich auch bei Schäfern und Schäfereien. Und wenn man mit denen redet, dann hört man ein dezentes Klagen: nicht nur dass die EU seit 2010 eine „Elektronische Einzeltierkennzeichnung“ fordert, die zur Seuchenbekämpfung hie und da Sinn machen mag, aber für kleine Herden widersinnig, hochgradig bürokratisch und ruinös ist. Richtig unangenehm ist die auch seit 2010 gültige „EU-Verordnung 853: Ausstattung Schlachträume“, die nahezu überall das Ende der Selbstvermarktung bedeutet und jede Schaf- oder Schnuckenherde zum teuren Hobby macht. Ich bin durchaus dafür, dass es tierschutzrechtliche und Hygieneverordnungen geben sollte, wenn Fleisch in den Handel kommt. Es beunruhigt mich aber, dass meinem Wunsch nach regionalen Metzgern und Direktvermarktern offensichtlich nur geringe Priorität beigemessen wird, dass aber auf meine Gesundheit und mein Körpergewicht in einem Maße geachtet wird, die mich schwindelig macht. Es mag sein, dass irgendwer eine neue Definition für „Wohlergehen“ gefunden hat, ich glaube aber, dass es – wenn wir die Banken endlich im Griff haben – Zeit ist für „Occupy Leberwurst“. Für eine Übersicht all der Zumutungen, die uns in den letzten Jahren so zugedacht wurden, empfehle ich die Polemik von Harald Martenstein: Der Terror der Tugend – eine lange Liste!