Ich bin von Natur aus nicht eben gesellig. Gelegentlich trifft auch die Bezeichnung Teilzeit-Misanthrop ganz gut. Und ab und an muss ich Sowinetz auflegen: „Alle Menschen san ma zwida, i mechts in die Goschn haun“ – ich kann da mit Inbrunst mitsingen.
Tafelrunden wollen deshalb hinsichtlich der teilnehmenden Personen fein austariert sein, wenn sie nicht zum Desaster werden sollen. Das klappt natürlich nicht immer. Ganz nachteilig wirkt sich meist die Anwesenheit von eindimensionalen Menschen aus. Eindimensional in diesem Zusammenhang sind Menschen, die nur ein Thema haben, das aber richtig und mit Verve. Vegetarier, Nichtraucher, Frauenversteher, Prenzlauer Berg, diese Richtung.
Neulich zum Beispiel war es ein schwangeres Pärchen. Nicht, dass er auch schwanger gewesen wäre, aber das wusste er gut zu verbergen. Und obwohl mir mehrmals durch den Kopf ging, dass Unfruchtbarkeit unter gewissen Umständen ein Segen für die Welt sein könnte, gab ich mir Mühe, das schleppende Tischgespräch in Gang zu halten. Was es denn mal werden solle, nein, nicht beruflich (hahaha), Junge oder Mädchen? Beider Antwort war unisono: Natürlich ein Mädchen! Meine Nachfrage – man muss ein so interessantes Gespräch ja am Laufen halten – ob sie schon mal darüber nachgedacht hätten, dass „Made“ und „Mädchen“ nicht von ungefähr denselben Wortstamm hätten, und sie sollten sich in Acht nehmen, hinterließ sie allerdings mit offenem Mund. Was einem Gespräch naturgemäß abträglich ist, worauf es auch ziemlich bald ab- und das Pärchen dankenswerterweise aufbrach.
Bevor sich jetzt alle Oberstudienräte melden: Ja, ich weiß natürlich auch, dass Mädchen nicht von Made kommt, sondern von der kleinen Magd – dem „Mägdchen„. Aber soll ich mir deswegen ein Bonmot durch die Lappen gehen lassen? Nee! Zumal auch diese gottgewollte Rolle von heutigen Generationen ja leider nicht mehr aus vollem Herzen und mit Hingabe ausfüllt wird. Was man als Mann durchaus schade finden kann.
Wie komm ich jetzt eigentlich darauf? Ach ja, Verkleinerungen – Made und Mädchen. Ich wollte nämlich ursprünglich in meinem Küchelchen ein Küchelchen backen. (Frau T. protestiert im Hintergrund: „Wenn dir diese Küche nicht groß genug ist, kann ich dir auch nicht helfen!“ Stimmt ja, aber soll ich mir deswegen ein Bonmot durch die Lappen gehen lassen? Nee!)
Das Problem ist nur, dass ich mit Diminutiven in der Küche eigentlich wenig anfangen kann. Ich backe lieber in der Küche einen Kuchen – schließlich ist das hier kein Mädchen-Blog! Also weniger Törtchen und Salätchen, viel lieber Torten und Salate und am besten ein ordentliches Stück Fleisch – keine Putenstreifchen. Als einzige Ausnahme lasse ich „Spätzle“ gelten.
Leider ist aber das Augmentativ1) im Deutschen unbekannt. Wie soll man denn in einer Sprache kochen oder backen, die keine Vergrößerungsform kennt? Kann das der Grund sein, dass die deutsche Küche jahrzehntelang so vernachlässigt wurde? Weil es keine Wörter gibt? Wäre eine Erklärung.
1) Im Italienischen gibt es zum Beispiel die Suppe (minestra), die mit dem Augmentativsuffix –one erst zur „richtigen“ Suppe (minestrone) wird, die Portugiesen haben die Endung –ão (lima – limão), im Spanischen kann durch allesmögliche vergrößert oder verstärkt werden (hombre wird mit –ón zum hombrón[kräftig], mit –azo zum hombrazo [riesig], mit –acho zum hombracho [grotesk,häßlich], mit –ote zu hombrote [ungeschlacht]), wenn man eine Flasche (botella) Wein trinkt, dann ist es nicht schlecht, aber besser ist eine bottelón (große Flasche). Den armen Deutschen bleiben eigentlich nur die beiden Präfixe super– und hyper-, und die sind auch nur ausgeliehen. Oder das unsägliche XXL. Und dass wir das dringend bräuchten, zeigt die Million (mille+-one = ein großes Tausend), aber die ist ja inzwischen durch die Milliarde mehr als ersetzt.