Ist ja schon gut. Ich hätte in der Überschrift auch „Rotkohl“ schreiben können (oder „Rotkraut“ für die Südlichter oder gar „Blaukraut“). Aber dann hätte das doch wieder kein Mensch gelesen. Weil ALLE ja an Weihnachten Ente (oder irgendwas) mit Rotkohl hatten. Ganz schlechter Zeitpunkt für Rotkohl.
Wenigstens habe ich gewartet, bis ich schreiben kann: Letztes Jahr an Weihnachten – „Ja, letztes Jahr an Weihnachten…“. Das hört sich doch schon besser an. Aber dennoch wird die eine Hälfte der Leserschaft das Wort „Rotkohl“ nicht mehr hören können, und die andere Hälfte glaubt eh nicht, dass man ihren ganz speziellen Weihnachts-Spezial-Rotkohl übertrumpfen kann. Ist aber so. Tut mir leid, da müsst ihr durch:
Feigenrotkraut nach Paul Haeberlin
Am Vortag einen kleinen Rotkohl (800g) vierteln, die dicken Strünke herausschneiden, vierteln und in feine Streifen schneiden. Mit 1 EL Zucker, 3 EL Rotweinessig und Salz gut mischen und über Nacht durchziehen lassen.
Dann 200g feingeschnittene (und gepellte) Zwiebeln in 100 ml Olivenöl in einem gusseisernen Schmortopf leicht anbräunen. 8 getrocknete Feigen (150g) klein würfeln und mit dem Kohl und 3 Scheiben frischem Ingwer dazugeben. Mit 100 ml Portwein und 250 ml Rotwein aufgießen.
Den Topf mit einem Deckel verschließen und im vorgeizten Ofen bei 150°C etwa 1½ Stunden schmoren. Dabei ab und zu umrühren und zum Schluss eventuell etwas nachwürzen.
Bevor die alten Hasen jetzt abwinken, weil sie Feigen schon 2009 bei Robert im Rotkohl hatten: Leute, das war Ducasse (einer der wenigen Menschen, vor denen ich mich verbeugen würde). Das hier ist Paul Haeberlin (vor dem ich unwillkürlich auf die Knie fallen würde). Nein, Monsieur Paul hat nicht nur Gänseleberpastete gemacht und – igitt! – Froschschenkel-Mousseline, sein Markenzeichen war die Bodenständigkeit, auf hohem Niveau. Man müsste doch mal nach Illhäusern in die Auberge fahren. Sein Sohn Marc scheint die Klassiker noch auf der Karte (und auf der Pfanne) zu haben: „Mousseline de Grenouille“, „Cotelette de Perdreau Romanoff“ oder „La terrine des foie gras d’oie“. Hmmm. Sein Rotkraut ist allerdings – wie gesagt – auch nicht von schlechten Eltern.
Aber wenn ich da dann doch hinfahre, was sag ich dann? Wie spricht man den elsässischen Namen denn aus? Häberlin, wie den Basler Philosophen, oder Äberlä, irgendwie französisch? Für mich war das immer der Herr Häberlin, oder Missjöh Pohl. Aber alle sagen, er habe den Deutschen das Essen beigebracht; das wäre mit einem deutschen Namen gar nicht gegangen. Man hat ja damals auch gerne bei To:schelmo eingekauft (schreibt sich übrigens „Tengelmann“). Man sollte sich vorher besser nochmal erkundigen.
Bei Paul Bocuse habe ich noch ein anderes Haeberlin-Rotkraut-Rezept entdeckt, die beiden sollen ja dicke Freunde gewesen sein. Auch das hört sich nicht schlecht an – „Chou rouge à la mode alsacienne Paul Haeberlin“. Es funktioniert ziemlich ähnlich, nur werden die Feigen durch Räucherspeck und geröstete Kastanien ersetzt und das Ganze mit schwach gesalzenem Kalbsfond übergossen – irgendwo müsste ich noch einen halben Kopf ruude Kappes rumliegen haben (damit auch die Rheinländer wissen, wovon ich rede).
Und wenn ich schon beim name-dropping bin, dann MUSS ich doch noch rasch erwähnen, dass ich als Kind zusammen mit Harald Wohlfahrt im Blockflöten-Kurs war. Beim Blasen hatte er auch nicht mehr Talent als ich.